"Wofür steht die Partei?" Canan Bayram tritt aus Frust nicht mehr für Grüne an
08.10.2024, 17:25 Uhr Artikel anhören
Canan Bayram sitzt seit 2017 für die Grünen im Bundestag.
(Foto: picture alliance / dts-Agentur)
Mit fast 40 Prozent der Erststimmen zieht Canan Bayram 2021 wieder direkt in den Bundestag ein. Ihr Wahlkreis ist eine Grünen-Hochburg in Berlin. Lange Zeit dominiert hier die Partei-Ikone Ströbele. Nun schmeißt die 58-Jährige aber hin. Sie sieht sich in den eigenen Reihen zunehmend isoliert.
Die Berliner Bundestagsabgeordnete Canan Bayram verzichtet aus Unzufriedenheit über den Kurs ihrer Partei auf eine weitere Kandidatur bei der nächsten Bundestagswahl. Sie habe sich gegen eine Kandidatur entschieden, "unter anderem, weil mir immer weniger klar ist, wofür die Partei Bündnis 90/Die Grünen eigentlich steht", schrieb sie in einer persönlichen Erklärung. "Insoweit kann ich den Menschen nicht mehr erklären, wofür wir stehen, beziehungsweise ob sie uns vertrauen können."
Die 58-jährige Bayram gilt als Vertreterin eines dezidiert linken Kurses bei den Grünen. Sie vertritt seit 2017 als direkt gewählte Abgeordnete den Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg im Bundestag. Bayram folgte dort auf Hans-Christian Ströbele, dem als erstem Grünen-Politiker die Direktwahl in den Bundestag gelungen war. Der 2022 verstorbene Politiker hatte vier Mal in Folge das Direktmandat geholt. Bayram zog anschließend zweimal direkt ins Parlament ein - zuletzt 2021 mit fast 38 Prozent der Erststimmen. Bei den Grünen wird somit ein äußerst lukrativer Wahlkreis frei.
Als ihre politischen Schwerpunkte gibt die Politikerin die Menschenrechte, Friedenspolitik, Antidiskriminierung und Mieterschutz an. In der Grünen-Bundestagsfraktion habe sie zuletzt aber "immer weniger Zustimmung zu meiner Argumentation beziehungsweise Perspektive" erhalten, schrieb Bayram nun. Sie laufe "immer mehr Gefahr, lediglich ein Feigenblatt für meine Fraktion zu werden, die weniger Menschenrechte als populistische Diskurse in den Fokus ihrer Arbeit nimmt".
Dies könne und wolle sie nicht mittragen, schrieb die Grünen-Politikerin. "Daher habe ich mich entschieden, meine politische Arbeit außerhalb des Parlaments zu verlagern." Ihr Mandat werde sie aber noch bis zur nächsten Wahl ausüben.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP