Angriff Israels auf Hisbollah? Tote und Tausende Verletzte durch Pager-Explosionen im Libanon
17.09.2024, 16:39 Uhr Artikel anhören
Landesweit explodieren im Libanon beinahe zeitgleich Hunderte Pager. Offenbar trifft es zumeist Kämpfer der Hisbollah-Miliz. Die Terrororganisation vermutet Israel hinter der Attacke. Zu den Verletzten gehört auch der iranische Botschafter.
Bei Explosionen von Pagern im Libanon sind mehrere Menschen gestorben und Tausende verletzt worden. Der Gesundheitsminister Firas Abiad sprach von neun Toten und 2750 zum Teil schwer Verletzten. Die meisten Betroffenen hätten Verletzungen "im Gesicht, an der Hand, am Bauch oder sogar an den Augen" erlitten. Mehr als 200 von ihnen schwebten demnach in Lebensgefahr. Landesweit waren am Nachmittag die kleinen Telekommunikationsgeräte explodiert. Pager sind früher weit verbreitete kleine Kommunikationsgeräte, auf denen kurze Botschaften empfangen werden können. Örtlichen Medien zufolge trugen auch zwei Leibwächter von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Verletzungen davon.
Die pro-iranische Hisbollah-Miliz gab Israel die Verantwortung für die Aktion. Israel werde nach "dieser kriminellen Aggression" seine "gerechte Strafe erhalten", erklärte die Miliz. Aus ihrem Umfeld hieß es, die Vorfälle seien die Folge eines Eindringens Israels in das Kommunikationssystem der Miliz. Ein Vertreter, der anonym bleiben wollte, sprach vom "größten Sicherheitsdebakel" in ihrem seit fast einem Jahr währenden Krieg mit Israel.
Handys wegen Ortungsgefahr ersetzt
Bei den Pagern, die explodiert seien, handele es sich um das neueste Modell, das die Hisbollah erst in den vergangenen letzten Monaten angeschafft habe, sagte Mitarbeiter von Sicherheitskreisen. Das "Wall Street Journal" berichtete unter Berufung auf Hisbollah-Mitglieder, Hunderte von ihnen hätten solche Geräte. Die Geräte seien - so die erste Hypothese - mit Schadsoftware versehen gewesen, die zu einer Überhitzung und zur Explosion geführt hätten. Laut einer israelischen Quelle sollen in einem Rüstungsunternehmen Sprengsätze an einer Station der Lieferkette eingebaut worden sein.
Experten gingen davon aus, dass es sich bei den Pagern um ein für die Miliz sehr wichtiges Kommunikationssystem handelte. Die Hisbollah ist demnach aus Sicherheitsgründen von Mobiltelefonen auf Pager umgestiegen - unter anderem, weil bei diesen der Aufenthaltsort nicht ermittelt werden kann.
Bei den Opfern handelt es wohl fast ausschließlich um Kämpfer der Terrormiliz. Die von ihnen zur Kommunikation benutzten Geräte detonierten innerhalb von rund einer Stunde, wie es aus Sicherheitskreisen hieß. Die radikal-islamischen Miliz meldete, unter anderem ein Mädchen und zwei Erwachsene seien getötet worden.
Zu den Verletzten gehört nach Angaben aus Teheran auch der iranische Botschafter im Libanon. Das iranische Staatsfernsehen berichtete, Botschafter Modschtaba Amani habe dem Sender selbst mitgeteilt, dass es ihm trotz der Verletzung gut gehe und "keinerlei Gefahr" für ihn bestehe. Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim berichtete, dass der explodierte Pager einem von Amanis Leibwächtern gehört habe.
Auf X kursieren etliche Videos, die Verletzte zeigen. Manchen fehlen mehrere Finger. Viele haben große Wunden in der Hüftgegend, denn die kleinen Pager werden oftmals im Gürtel oder in der Hosentasche getragen. Ebenso gibt es Aufnahmen von zerfetzten Pagern. Das Krisenzentrum im Gesundheitsministerium forderte das gesamte medizinische Personal auf, sich in ihre jeweiligen Krankenhäuser zu begeben, um die große Zahl der Verwundeten zu versorgen. Gleichzeitig warnte das Krisenzentrum davor, die Pager zu benutzen. Das Libanesische Rote Kreuz teilte mit, dass über 50 Krankenwagen und 300 medizinische Notfallhelfer entsandt wurden, um bei der Versorgung der Opfer zu helfen.
Auch in Syrien, wo die Hisbollah und andere Iran-treue Milizen aktiv sind, kam es zu solchen Explosionen. Dabei seien 14 Hisbollah-Mitglieder verletzt worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet fast täglich zu Konfrontationen zwischen der libanesischen Hisbollah und dem israelischen Militär. Die Hisbollah unterstützt die ebenfalls radikal-islamische Hamas im Gazastreifen. Seit Ausbruch des Gazakrieges beschießen sich fast jeden Tag isralisches Militär und Hisbollah-Kämpfer entlang der israelisch-libanesischen Grenze.
Auf beiden Seiten gab es infolge des Beschusses Tote - die meisten von ihnen waren Mitglieder der Hisbollah. Tausende Menschen haben deswegen das Grenzgebiet verlassen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat angekündigt, ein neues Ziel des Krieges sei es, die Voraussetzungen für eine Rückkehr der Grenzbewohner zu schaffen.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP/rts