Opfer "werden entmenschlicht" UN-Kommission wirft Israel Völkermord im Gazastreifen vor
16.09.2025, 10:12 Uhr Artikel anhören
"Vorsätzliche Schaffung von Lebensbedingungen, die auf die vollständige oder teilweise Zerstörung der palästinensischen Bevölkerung abzielen", ist einer der Vorwürfe der UN-Kommission.
(Foto: dpa)
Israel ist durch die massiven Angriffe im Gazastreifen international immer isolierter. Eine unabhängige Untersuchungskommission der UN sieht nun als erwiesen an: Die Armee begeht einen Genozid. Man behandle die Opfer "wie Tiere", die man "ohne Gewissen töten" könne.
Israel begeht nach Auffassung der unabhängigen Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats im Gazastreifen Genozid. Vier der fünf in der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 erwähnten Tatbestände seien erfüllt, befindet die dreiköpfige Kommission.
Israel erkennt wie die USA unter Präsident Donald Trump den UN-Menschenrechtsrat als Autorität nicht an und wirft ihm und seinen Kommissionen grundsätzlich vor, gegen Israel voreingenommen zu sein. Der Menschenrechtsrat besteht aus 47 Ländern, die jeweils für drei Jahre von der UN-Generalversammlung gewählt werden.
Die Kommission nennt als Tatbestände: Tötung, schwere körperliche oder seelische Schädigung, vorsätzliche Schaffung von Lebensbedingungen, die auf die vollständige oder teilweise Zerstörung der palästinensischen Bevölkerung abzielen, und Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten. Zivilisten würden getötet, humanitäre Hilfe blockiert, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen systematisch zerstört und religiöse Einrichtungen angegriffen.
Der Bericht bezieht sich auf die Geschehnisse seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas und anderer Extremisten auf Israel am 7. Oktober 2023. Israel betont stets, es bekämpfe im Gazastreifen die Hamas und nicht die Zivilbevölkerung.
In dem Bericht heißt es weiter: "Es gibt auch indirekte oder Indizienbeweise für einen besonderen Vorsatz (dolus specialis) im Verhaltensmuster der politischen und militärischen Behörden Israels sowie in den Militäroperationen, die unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Beweise die erforderliche spezifische Absicht zur Begehung von Völkermord belegen."
Vorsitzende der 2021 eingerichteten Kommission zur Prüfung möglicher Verletzungen des internationalen Völkerrechts in den besetzten palästinensischen Gebieten und Israel ist Navi Pillay. Sie war früher Richterin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Pillay hat aus Gesundheitsgründen ihren Rücktritt eingereicht, der im November wirksam wird.
Pillay zog einen Vergleich zu der Situation in Ruanda, zu der sie einst das UN-Tribunal leitete. "Wenn ich mir die Fakten des Völkermords in Ruanda ansehe, ist das hier sehr, sehr ähnlich. Man entmenschlicht seine Opfer. Sie sind Tiere, und deshalb kann man sie ohne Gewissen töten", sagte sie mit Blick auf den Gazastreifen. Die Völkermordkonvention gilt als unmittelbare Reaktion auf die Verbrechen der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs.
Quelle: ntv.de, toh/dpa/rts