Sicherheitslage in Afghanistan UN rechnet mit Höchststand an zivilen Opfern
26.07.2021, 11:13 Uhr
Afghanische Sicherheitskräfte fahren Patrouille. Die Unsicherheit im Land hat in den vergangenen Wochen erheblich zugenommen, seit die Taliban vorrücken.
(Foto: picture alliance / AA)
Die internationalen Truppen ziehen ab, die Taliban gewinnen an Einfluss: In Afghanistan nimmt die Zahl der zivilen Opfer deutlich zu. Die Vereinten Nationen sehen eine "düstere und beängstigende Entwicklung des Konflikts" und warnen vor einem dramatischen Anstieg von Getöteten und Verletzten.
Die Vereinten Nationen haben angesichts der jüngsten Offensiven der radikalislamischen Taliban in Afghanistan vor einem deutlichen Anstieg der zivilen Opfer gewarnt. In einem Bericht erklärt die UN-Hilfsmission für Afghanistan (Unama), sie rechne damit, dass die Zahl der zivilen Opfer in diesem Jahr den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen vor mehr als einem Jahrzehnt erreichen werde. Parallel zum rasch fortschreitenden Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan hat die Gewalt im Land stark zugenommen.
"Eine noch nie dagewesene Anzahl an afghanischen Zivilisten wird in diesem Jahr getötet und verletzt werden, wenn die zunehmende Gewalt nicht eingedämmt wird", warnt Unama-Leiterin Deborah Lyons. Sie appelliert an die Taliban und die afghanische Regierung, "die düstere und beängstigende Entwicklung des Konflikts und seine verheerenden Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung" zu beenden.
Für ein Viertel aller Opfer in der Zivilbevölkerung können demnach afghanische Truppen und regierungsnahe Kräfte verantwortlich gemacht werden. Den Taliban können laut Bericht gut 40 Prozent aller zivilen Opfer zugeschrieben werden, neun Prozent gehen auf das Konto der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat.
In der ersten Hälfte des Jahres 2021 wurden laut Unama rund 1660 Zivilisten getötet und 3250 verletzt - ein Anstieg von 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Zunahme an zivilen Opfern war im Mai und Juni, als die Taliban ihre weitreichenden Offensiven starteten, laut Bericht besonders stark. Fast die Hälfte aller zivilen Opfer seien Frauen und Kinder.
Die Taliban haben parallel zum rasch fortschreitenden Abzug der US- und anderer NATO-Truppen in den vergangenen Monaten große Teile des Landes erobert. Mittlerweile kontrollieren sie rund die Hälfte der etwa 400 Bezirke Afghanistans. Beobachter befürchten, dass die Radikalislamisten nach dem vollständigen Abzug der internationalen Truppen wieder die Macht in Afghanistan übernehmen könnten. Die Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung in Doha sind seit Monaten festgefahren.
Luftschläge zur Unterstützung der Regierungstruppen
Die USA wollen auch während ihres laufenden Abzugs aus Afghanistan die dortigen Regierungstruppen mit Luftangriffen gegen die Taliban unterstützen. "Die Vereinigten Staaten haben Luftschläge zur Unterstützung afghanischer Kräfte in den vergangenen Tagen verstärkt. Und wir sind bereit, dieses erhöhte Ausmaß an Unterstützung in den kommenden Wochen fortzusetzen, wenn die Taliban ihre Angriffe fortsetzen", sagte der für die Region zuständige General Kenneth McKenzie auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Kabul. Er wollte sich nicht dazu äußern, ob die USA dies auch nach dem geplanten Ende ihres Militäreinsatzes am 31. August fortsetzen wollen.
Von 1996 bis zu ihrem Sturz durch die US-geführten Truppen 2001 hatten die Taliban Afghanistan beherrscht und die Menschenrechte massiv beschnitten. Die USA intervenierten in Afghanistan an der Spitze eines Nato-Bündnisses kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001.
Quelle: ntv.de, sbl/AFP/rts