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Minister Kennedy als ImpfgegnerUS-Behörde macht sich umstrittene Autismus-Theorie zu eigen

20.11.2025, 20:48 Uhr
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Robert F. Kennedy Jr. eilt der Ruf eines Impfgegners voraus. Seine bisherigen Maßnahmen scheinen das zu bestätigen. (Foto: AP)

Gesundheitsminister Kennedy hat es sich zur Aufgabe gemacht, die angebliche Autismus-"Epidemie" in den USA zu bekämpfen. Für ihn sind nicht nur die Einnahme von Paracetamol und Beschneidungen bei Jungen ursächlich für die neurologische Störung, sondern nun auch Impfungen generell.

Die US-Gesundheitsbehörde CDC suggeriert eine mögliche Verbindung zwischen Autismus und Impfungen. "Die Behauptung 'Impfstoffe verursachen keinen Autismus' ist keine evidenzbasierte Behauptung", heißt es nach einer Änderung nun auf der Website der Behörde. Studien hätten die Möglichkeit, dass Impfstoffe für Kleinkinder Autismus verursachen, nicht ausgeschlossen. Untersuchungen, die eine solche Verbindung stützten, seien von Gesundheitsbehörden ignoriert worden, so die Behauptung.

Die These, Impfungen könnten Autismus auslösen, ist wissenschaftlich widerlegt. Entsprechend stand zuvor auch auf der CDC-Website: Studien hätten gezeigt, dass es "keinen Zusammenhang" zwischen Impfungen und Autismus gebe. Die CDC (Centers for Disease Control and Prevention) ist in den USA unter anderem für den Schutz vor Infektionskrankheiten zuständig.

Die gemeinnützige Autism Science Foundation zeigte sich entsetzt von den neuen Inhalten, die "verändert und verzerrt wurden und nun voll mit impfkritischer Rhetorik und glatten Lügen über Impfungen und Autismus sind". Auf der Webseite seien nun Fehlinformationen zu finden, die den "besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen" widersprächen. "Die Wissenschaft belegt eindeutig, dass Impfungen keinen Autismus verursachen", heißt es weiter.

US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. wird immer wieder vorgeworfen, Zweifel an Impfungen zu streuen. Er vertrat in der Vergangenheit auch das widerlegte Gerücht, Impfungen riefen Autismus hervor. Die ehemalige Leiterin der US-Gesundheitsbehörde Susan Monarez wurde vor ein paar Monaten nach eigenen Angaben von Kennedy aus ihrer Rolle gedrängt, weil sie sich geweigert habe, wissenschaftliche Standards zu missachten.

Feldzug gegen Paracetamol

Mitte Oktober verbreiteten Kennedy und US-Präsident Donald Trump zudem die unbelegte Theorie, kurz nach der Geburt beschnittene Kinder hätten ein erhöhtes Autismus-Risiko. Das liege "höchstwahrscheinlich" an der Einnahme von Paracetamol. "Nehmen Sie kein Tylenol ein, wenn Sie schwanger sind, und geben Sie dem Baby, wenn es geboren ist, auch kein Tylenol", sagte Trump bei einer Kabinettssitzung. In den USA ist Paracetamol als Acetaminophen bekannt und wird in Apotheken unter dem Namen Tylenol verkauft.

Kennedy stellte zudem einen angeblichen Zusammenhang zwischen Autismus und Beschneidungen her: Seinen Angaben zufolge deuten zwei Studien darauf hin, dass bei kurz nach der Geburt beschnittenen Kindern später doppelt so häufig Autismus diagnostiziert wird wie im Durchschnitt. Der Grund dafür sei "höchstwahrscheinlich", dass sie nach dem Eingriff mit Paracetamol behandelt würden, behauptete Kennedy.

Die Autismus-Expertin Helen Tager-Flusberg von der Universität Boston sagte: "Nichts davon ergibt Sinn." Ihrer Einschätzung nach haben die Autoren der Studien, auf die Kennedy verweist, aufgrund sogenannter Störvariablen falsche Schlussfolgerungen gezogen. Bei einer Berücksichtigung aller Störvariablen lasse sich mit "keiner der Studien" ein Zusammenhang zwischen der Behandlung von Babys mit Paracetamol und Autismus nachweisen. Trump hatte bereits im September bei einer Pressekonferenz behauptet, dass die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft "mit einem stark erhöhten Autismusrisiko" beim Kind verbunden sei.

Aktuelle Studien zeigen dagegen, dass eine Schwangere ohne Risiko normale Dosen des Mittels einnehmen kann. "Die Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft ist nicht mit einem Autismus-Risiko, Aufmerksamkeitsstörungen oder geistiger Behinderung bei Kindern verbunden", schlussfolgert eine dieser Studien, die in Schweden realisiert und 2024 in der medizinischen Fachzeitschrift "JAMA" veröffentlicht wurde.

Trump mit der Wissenschaft auf Kriegsfuß

Verfechter der Beschneidungstheorie verweisen dagegen immer wieder auf eine Studie aus Dänemark aus dem Jahr 2015, die nach Angaben des Psychiaters David Mandell von der University of Pennsylvania aber zahlreiche Mängel aufweist. Die Untersuchung stütze sich auf eine kleine Stichprobe muslimischer Jungen, die in Krankenhäusern und nicht wie üblich zu Hause beschnitten wurden. Möglicherweise seien diese Jungen wegen "anderer medizinischer Probleme" im Krankenhaus beschnitten worden, sagte Mandell. Dies könne auch eine Erklärung für die höhere Rate an neurologischen Entwicklungsstörungen bei den Jungen sein.

Trump steht mit der Wissenschaft schon länger auf Kriegsfuß. Während der Corona-Pandemie hatte der Rechtspopulist unter anderem das Spritzen von Desinfektionsmittel gegen das Virus ins Spiel gebracht. Sein Gesundheitsminister Kennedy kündigte nach seinem Amtsantritt an, die Ursachen einer angeblichen Autismus-"Epidemie" in den USA zu ermitteln. Experten reagierten aufgrund der Komplexität des Themas und der impfskeptischen Positionen des Ministers besorgt.

Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP

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