Aufstand am 6. Januar 2021 US-Justizministerium ist Trump auf den Fersen
28.07.2022, 21:36 Uhr
Im Fokus: Ex-US-Präsident Donald Trump.
(Foto: AP)
Die Staatsanwaltschaft ermittelt intensiver gegen Donald Trump als bislang bekannt. Es geht um die Rolle des Ex-US-Präsidenten bei der "Stop the Steal"-Strategie nach seiner Wahlniederlage gegen Joe Biden. Eine folgenreiche Anklage ist nicht ausgeschlossen.
Jetzt also doch: Staatsanwälte in den USA nehmen Donald Trumps Verhalten während der letzten Wochen seiner Amtszeit genau unter die Lupe. Es geht darum, ob der Ex-Präsident dabei half, die Auszählung der Wahlleutestimmen zu behindern. Die besiegelte seine Niederlage gegen Joe Biden endgültig. Das ist ein potenzielles Verbrechen - und könnte im äußersten Fall dazu führen, dass Trump verurteilt wird, womöglich sogar das Recht verliert, erneut als Präsident vereidigt zu werden.
Das Justizministerium, deren Ressortchef zugleich oberster Generalstaatsanwalt ist, hat in seiner Geschichte noch nie einen ehemaligen Präsidenten angeklagt. Ob es so weit kommt, ist völlig unklar. Klar ist jetzt jedoch: Die Ermittler machen vor Trump nicht Halt. Sie wollen genau wissen, was er vor und während des Aufstands am 6. Januar 2021 getan hat. Mit wem der damalige Präsident worüber wann sprach und so herausfinden, welche Verantwortung er für den Sturm aufs Kapitol hat, bei dem seine Anhänger in den Kongress eindrangen, Politiker flohen und die Auszählung unterbrochen werden musste.
Im Detail wollen die Ermittler unter anderem erfahren, wie Trump seinen Vizepräsidenten Mike Pence unter Druck setzte. Pence war für die Zertifizierung des Wahlergebnisses im Senat an jenem 6. Januar verantwortlich. Dafür koordinierte Rudy Giuliani als Trumps privater Anwalt alternative Wahlleutegremien in mehreren Bundesstaaten. Sie sollten entgegen des Wahlergebnisses für Trump stimmen. So sollte Pence überzeugt werden, die rechtmäßigen Wahlleute Bidens zurückzuweisen. Hätte Trump dies selbst angewiesen, wäre dies ein mögliches Verbrechen, für das er angeklagt werden kann. Das Justizministerium hat mehrere dieser falschen Wahlleute vorgeladen.
In sieben Bundesstaaten hatten sich solche falschen Wahlleutegremien gebildet und wollten für einen Wahlsieg Trumps stimmen, obwohl Biden dort gewonnen hatte. Die Ermittler haben sich deshalb Telefonprotokolle von hochrangigen Mitarbeitern des Ex-Präsidenten und Ex-Vizepräsidenten verschafft. Sie durchsuchten zudem das Zuhause von Jeffrey Clark, einem früheren Ministeriumsmitarbeiter, der vom vermeintlichen Wahlbetrug überzeugt war. Trump und sein Team hatten nach der verlorenen Wahl mit dem Wahlspruch "Stop the Steal" ("Stoppt den Diebstahl") und einer Myriade an juristischen Mitteln versucht, Wahlbetrug zu belegen, was aber keinen Erfolg hatte.
Weitere Untersuchungen im Gange
Parallel zu den Aktivitäten der Justiz ermittelt auch der Kongress selbst in einem Untersuchungsausschuss zu den Vorkommnissen des 6. Januar. Laut US-Medien plant das Gremium, nach Abschluss seiner Aktivitäten die gesammelten Beweise dem Justizministerium für eine mögliche Anklage zu überlassen. Das Ressort hat bereits mehrere Zeugen aufgefordert, ihr Wissen mit den Ermittlern zu teilen. Offenbar wurden nach Ende von Trumps Präsidentschaft auch als "vertraulich" gekennzeichnete Umzugskisten in seinen Wohnsitz in Mar-a-Lago gebracht.
Die Staatsanwälte haben zugleich Interesse an den Juristen, mit denen sich Trump während seiner letzten Wochen im Weißen Haus umgab - die Anwälte Jenna Ellis, Rudy Giuliani und John Eastman. Auch Eastmans Telefon nehmen die Ermittler unter die Lupe. Bei dessen Aktivitäten nahm Trump laut dem Untersuchungsausschuss eine wichtige Rolle ein. Eastman wollte Pence dazu bringen, die alternativen Wahlleutestimmen zu akzeptieren, Trump vermittelte demnach den Kontakt zwischen seinem Anwalt und der republikanischen Parteichefin Ronna McDaniel, von der sie sich Hilfe für ihren Plan erhofften.
Dort enden die Ermittlungen gegen Trump nicht. Mehrere Kongressmitglieder und Polizisten haben den Ex-Präsidenten wegen des 6. Januar verklagt. Laut Zeugen im Untersuchungsausschuss wusste Trump, dass seine Anhänger bewaffnet waren. In seiner Rede vor dem Sturm aufs Kapitol rief er sie trotzdem auf, zum Gebäude zu ziehen und für den Wahlsieg "wie verrückt zu kämpfen", wollte sogar mit ihnen dorthin laufen.
Die Bezirksstaatsanwaltschaft von Fulton County im Georgia untersucht zugleich die Zeit vor dem 6. Januar und hat eine Vielzahl an Trump-Vertrauten vorgeladen. Auch 16 Personen, die sich als Wahlleute deklariert hatten, könnten angeklagt werden. Biden hatte im Bundesstaat mit einer hauchdünnen Mehrheit von knapp unter 12.000 Stimmen die Wahl gegen Trump gewonnen. Danach rief der Präsident bei dem dortigen Wahlleiter, ein Republikaner, an und sagte ihm, er solle "11.780 Stimmen finden". Giuliani veröffentlichte zudem ein Video von zwei dortigen Wahlhelferinnen, die angeblich Wahlbetrug begangen haben sollten. Die Frauen erhielten daraufhin Todesdrohungen. Der Vorwurf gegen die Helferinnen stellte sich als haltlos heraus.
Auf Bundesebene hat Justizminister Merrick Garland nie explizit gesagt, ob die Staatsanwaltschaft erwägt, gegen Trump Anklage zu erheben. Garland drückte seine Absichten anders aus: "Wir wollen jeden zur Verantwortung ziehen, der im legalen Sinne verantwortlich war für die Vorkommnisse rund um den 6. Januar."
Und abseits der Ermittlungen über seine politischen Aktivitäten hat Trump in seiner Heimat New York legale Probleme. Er soll seine Immobilien systematisch überbewertet haben, um Kredite zu erhalten und gegenüber Behörden unterbewertet, um weniger Steuern zahlen zu müssen.
Quelle: ntv.de