Politik

Labyrinth aus Stahl und Beton Wo die Verteidiger von Asowstal ausharren

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Ein verwundeter ukrainischer Soldat im Stahlwerk Asowstal.

Ein verwundeter ukrainischer Soldat im Stahlwerk Asowstal.

(Foto: picture alliance/dpa/Azov Special Forces Regiment of the Ukrainian National Guard Press Office)

Mariupol ist noch immer nicht komplett in russischer Hand. Auf dem weitläufigen Gebiet des Stahlwerks Asowstal im Zentrum der Stadt halten ukrainische Kämpfer der russischen Übermacht stand. Ohne Hilfe von außen ist ihre Lage aber im Grunde aussichtslos.

Mariupol ist noch nicht gefallen: Zwar erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin bereits Ende April, die Metropole am Asowschen Meer vollständig erobert zu haben. Doch noch immer harren Einheiten in der geschundenen Hafenstadt aus. In einem riesigen Stahlwerk im Zentrum haben sich mehrere Hundert Soldaten verschanzt. Der riesige Industriekomplex ist von russischen Truppen mittlerweile vollständig eingeschlossen. Das Areal macht allerdings einen signifikanten Teil des Stadtgebiets aus. In Mariupol lebten vor dem Krieg rund 400.000 Menschen.

In dem Werk Asowstal sollen sich nach russischen Angaben noch rund 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner aufhalten. Die ukrainische Regierung spricht von mehr als 1000 Kämpfern. Nach erfolgreichen Evakuierungen in den vergangenen Tagen ist unklar, ob noch Zivilisten in den für einen Atomkrieg gebauten Bunkeranlagen unter der Industrieanlage ausharren. Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk dementierte Berichte lokaler Behörden, dass sich dort noch rund 100 Zivilisten aufhalten. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte vor drei Wochen angeordnet, das Werk weiter zu belagern - so engmaschig, dass "keine Fliege mehr heraus kann". Zuvor und auch nach Putins Ankündigung wurde das Gelände mit seinen Hochöfen, Förderbändern und Werkshallen allerdings immer wieder heftig beschossen.

Die weitläufige Untertunnelung und die oberirdische Struktur des Geländes machen eine schnelle Stürmung durch die russische Armee unmöglich. Koksöfen, Lagerhäuser, Betonmauern, Stahlaufbauten und Schornsteine versperren potenziellen Angreifern die Sicht, die kilometerlangen Tunnelanlagen bieten zahlreiche Rückzugsmöglichkeiten. Schon 2014 bei Kämpfen mit pro-russischen Separatisten waren die Bunker unter dem Asow-Stahlwerk als Schutzräume genutzt worden.

Das Gelände beherbergt eine eigene Eisenbahnanlage, einen Hafen, sowie Werke zur Produktion von Koks, Stahl und Eisen und erstreckt sich auf eine riesige Fläche: Das Areal ist an den meisten Stellen rund drei Kilometer breit und ebenso lang.

Dieses weitflächige und hindernisreiche Gebiet ist verhältnismäßig gut zu verteidigen. Gleichwohl befinden sich die verbliebenen ukrainischen Verteidiger in einer verzwickten Lage. Ihnen gehen langsam Nahrung, Wasser und Medikamente aus. Es gibt Berichte von Hunderten Verwundeten. Die medizinische Versorgung ist katastrophal. Berichten zufolge brauchen einige Soldaten Amputationen, gleichzeitig gehen Schmerz- und Narkosemittel zur Neige.

Das Gelände das Asow-Stahlwerks im Zentrum Mariupols.

Das Gelände das Asow-Stahlwerks im Zentrum Mariupols.

(Foto: Satellite Imagery © Maxar Technologies)

Ohne Hilfe von außen ist die Lage der im Asow-Stahlwerk verschanzten Kämpfer im Grunde aussichtslos. Erst gestern erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine militärische Befreiung der Eingeschlossenen für nicht durchführbar. Für einen erfolgreichen Vorstoß würden schwere Waffen fehlen. Die letzten verbliebenen Verteidiger Mariupols sind für die Verteidigung der Ukraine dennoch wertvoll: Sie binden weiter russische Kräfte, die Moskaus Invasionsarmee an anderer Stelle dringend benötigt.

Mariupol ist für den Machthaber im Kreml von großer strategischer Bedeutung. Die Kontrolle über die Hafenstadt erlaubt Russland, eine direkte Landverbindung zwischen der annektierten Halbinsel Krim und den von den pro-russischen Separatisten im Donbass kontrollierten Gebieten herzustellen.

Dieser Text ist die aktualisierte Version eines erstmals am 26. April 2022 erschienenen Artikels.

Quelle: ntv.de, mit dpa und AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen