Kiew schickt Reserven Ukraine meldet russische Vorstöße in Region Charkiw
10.05.2024, 13:39 Uhr Artikel anhören
Rettungskräfte am Morgen nach einem Raketenangriff auf Charkiw.
(Foto: IMAGO/Ukrinform)
Die Grenzregion um die Großstadt Charkiw im Nordosten der Ukraine steht seit Wochen unter massivem Beschuss. Nun verstärkt Kiew seine dortigen Truppen. Russland versucht offenbar einen Durchbruch mit Panzern.
Die russische Armee hat nach ukrainischen Angaben Angriffe in der Grenzregion bei der Stadt Charkiw begonnen. Am Morgen ab 5 Uhr Ortszeit seien feindliche Bodentruppen im Schutz von Panzerfahrzeugen vorgerückt, um die Verteidigungslinien zu durchbrechen, teilte das ukrainische Verteidigungsministerium mit. Ziel der Angriffe war demnach die ukrainische Stadt Wowtschansk, die etwa 40 Kilometer nordöstlich von Charkiw dicht an der Grenze liegt.
Die Angaben dazu sind widersprüchlich. Bislang seien die Angriffe abgewehrt worden, die Kämpfe dauerten in unterschiedlicher Intensität an, teilte das Militär mit. Einem hochrangigen ukrainischen Militärvertreter zufolge stießen die russischen Truppen rund einen Kilometer in ukrainisches Gebiet vor. Der Gouverneur des Gebietes Charkiw, Ihor Synjehubow, schrieb dagegen auf Telegram: "Die Streitkräfte der Ukraine halten ihre Stellungen: Es ist kein Meter Boden verloren gegangen." Eine Gefahr für die Millionenstadt Charkiw sehe er nicht. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen. Nicht genannte Quellen im ukrainischen Militär sagten dem Portal Ukraijinska Prawda, vier Grenzdörfer Striletsche, Krasne, Pylne und Boryssiwka seien von russischen Truppen erobert worden.
Über eine mögliche russische Offensive bei Charkiw wird seit Wochen spekuliert. Es gibt Berichte, dass die russischen Truppen dort mehrere Zehntausend Mann zusammengezogen haben. Für den Ernst der Lage spricht, dass das Verteidigungsministerium in Kiew sich nun dazu äußerte, nicht wie sonst der Generalstab. Mehrere Einheiten der Reserve seien in die betroffene Gegend verlegt worden, um die Verteidigung zu stärken, hieß es vom Ministerium.
Schon am Tag zuvor sei der Frontabschnitt bei Wowtschansk von russischen Kampfflugzeugen aus der Luft mit Gleitbomben bombardiert worden. Über Nacht habe dann die russische Artillerie die vordersten ukrainischen Stellungen beschossen, zur Vorbereitung des Angriffs. Auch der russische Militärblogger Rybar beschrieb die Kämpfe bei Wowtschansk: Es gehe zunächst darum, die Kampfzone auszuweiten und im Gefecht die feindlichen Stellungen aufzuklären.
"Es gibt jetzt einen erbitterten Kampf"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte dem Rundfunksender Suspilne, das Militär habe den Angriff erwartet und seine Reaktion darauf abgestimmt. "Es gibt jetzt einen erbitterten Kampf in dieser Richtung", sagte er. Analysten sagen, der Angriff könnte den Beginn eines russischen Versuchs markieren, die vom russischen Präsident Wladimir Putin versprochene Pufferzone einzurichten, mit deren Hilfe die Ukraine von Angriffen auf die russische Region Belgorod und andere Grenzregionen abgehalten werden soll.
Ukrainische Zivilisten werden aus Wowtschansk und den umliegenden Gebieten evakuiert, wie der "Guardian" meldete. Die Zeitung zitierte aus einem Interview mit dem Chef der dortigen Militärverwaltung, Tamaz Gambarashvili, im ukrainischen Radio Hromadske: "Die meisten reisen mit ihren eigenen Verkehrsmitteln ab. Aber gleichzeitig organisieren wir gemeinsam mit dem humanitären Zentrum den Transport für diejenigen, die kein Auto haben."
Russland versuchte seit Beginn seiner großangelegten Invasion im Februar 2022, die Grenzregion Charkiw zu erobern. Im Herbst 2022 musste sich die russische Armee von dort zurückziehen. Doch wie überall an der Front sind es auch in dieser Region seit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive im Sommer 2023 die russischen Streitkräfte, die derzeit die Initiative haben.
Quelle: ntv.de, chl/dpa/AFP/jpe