Russland sabotiert AKW Ukraine sieht Stromversorgung in Gefahr
19.08.2022, 15:18 Uhr
Der Kreml bestreitet jegliches Gefahrenpotential, das von einer militärischen Besetzung des AKWs Saporischschja ausgehen könnte.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Nach der Besetzung des Atomkraftwerks Saporischschja durch russische Truppen fürchtet die Ukraine einen Zusammenbruch des nationalen Stromnetzes. Sollte das AKW im Zuge andauernder Kämpfe tatsächlich beschädigt werden, steht nicht nur der Ukraine ein harter Winter bevor.
In der Ukraine wächst die Sorge, dass Russland das größte Atomkraftwerk des Landes vom nationalen Stromnetz trennen will. Der staatliche Energieversorger Energoatom teilte mit, dass es Hinweise darauf gebe, dass russische Truppen das Abschalten der noch betriebenen Reaktoren im AKW Saporischschja vorbereiteten. Ein Ausfall der Stromlieferungen aus Saporischschja, dem größten Atomkraftwerk Europas, würde vor allem den Süden der Ukraine treffen.
Das Land bereitet sich angesichts von Krieg und Verknappung der Energieversorgung auf den schwierigsten Winter seit Erklärung der Unabhängigkeit vor. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte an, sich beim russischen Präsidenten Wladimir Putin für eine Lösung des Streits um das AKW einzusetzen.
Kämpfe in AKW-Nähe sind "Spiel mit dem Feuer"
"Das russische Militär sucht derzeit Treibstofflieferanten für Dieselgeneratoren", teilte Energoatom mit. Mit den Dieselgeneratoren sollten die Kühlsysteme für die hoch radioaktiven Kernbrennstoffe nach dem Herunterfahren der Atommeiler am Laufen gehalten werden. Das Unternehmen bekräftigte den Vorwurf, Russland bereite eine "Provokation großen Ausmaßes" vor. Umgekehrt hatte die Regierung in Moskau der Ukraine genau denselben Vorwurf vorgehalten.
International wird ein besonderes Augenmerk auf Saporischschja gelegt, denn ein Treffer in den Reaktoren könnte eine Nuklearkatastrophe ähnlich wie der in Tschernobyl 1986 auslösen. Damals wurde nicht nur die unmittelbare Umgebung dauerhaft verstrahlt, sondern radioaktiver Niederschlag ging auch in mehreren europäischen Ländern nieder. Der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA, Rafael Grossi, warnte Anfang August mit Blick auf Kämpfe in der Umgebung des AKW vor einem "Spiel mit dem Feuer, mit möglichen katastrophalen Folgen".
Kreml: Mit uns wird es kein zweites Tschernobyl geben
Am Freitag wiegelte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Ryabkow ab: Die russische militärische Präsenz sei Garant dafür, dass sich Tschernobyl nicht wiederholen werde. Bereits am Donnerstag hatte Russland den Vorschlag der Vereinten Nationen zurückgewiesen, Saporischschja zu demilitarisieren.
Der türkische Präsident kündigte nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag an, er werde mit Putin über Saporischschja sprechen. Selenskyj habe ihm gesagt, Russland müsse alle Minen in der Gegend entfernen. "Wir werden diese Fragen mit Putin erörtern und ihn ausdrücklich darum bitten, dass Russland das tut, was es als wichtigen Schritt für den Weltfrieden tun muss", erklärte Erdogan.
Die Kraftwerksanlage wurde im März von russischen Streitkräften eingenommen. Sie liegt in der Nähe des derzeitigen Frontverlaufs. In der Vergangenheit haben sich Russland und die Ukraine gegenseitig vorgeworfen, das AKW beschossen zu haben. Auf dem Gelände waren Geschosse eingeschlagen. Die Anlage wird trotz russischer Besetzung von ukrainischen Technikern betreut. Derzeit laufen nur zwei der sechs Reaktoren mit voller Leistung.
Quelle: ntv.de, bek/rts