"Die Front bekommt Risse" Ukrainische Militärs wegen Mangel an Infanterie besorgt
09.02.2024, 07:31 Uhr Artikel anhören
Ein ukrainischer Soldat in einem Schützengraben.
(Foto: IMAGO/Le Pictorium)
Die Ukraine hat nicht nur mit einem Mangel an Artilleriemunition zu kämpfen. Auch die Soldaten in den Schützengräben sind knapp. Im Gespräch mit einer US-Zeitung schildern mehrere Militärs den Ernst der Lage.
Ukrainische Militärs warnen laut einem Medienbericht vor einem kritischen Mangel an Infanterie an der Front. Wie die "Washington Post" unter Berufung auf mehrere geführte Interviews meldet, sind unter den befragten Soldaten und Offizieren fast ein Dutzend der Meinung, dass der Personalmangel derzeit das größte Problem sei, da Russland im Krieg die Initiative zurückgewonnen hat und seine Angriffe verstärkt.
Ein Bataillonskommandeur einer mechanisierten Brigade, die im Osten des Landes kämpft, sagte der Zeitung, seine Einheit verfüge derzeit über weniger als 40 Infanteristen. Dabei betrage die Sollstärke eines Bataillons 200 Mann. Ein anderer Bataillonskommandeur mit dem Namen Oleksandr gab an, dass die Kompanien seiner Einheit im Durchschnitt nur etwa 35 Prozent ihres Personalbestands hätten. Ein weiterer Bataillonskommandeur einer Sturmbrigade teilte dem Blatt mit, eine solche Personalstärke sei typisch für Einheiten, die Kampfaufgaben wahrnehmen.
"Die Leute sind sowohl moralisch als auch physisch erschöpft"
Die dünne Personaldecke führt laut "Washington Post" auch zu weniger Truppenrotationen, wodurch die Soldaten länger in ihren Stellungen ausharren müssten. Das sei insbesondere im Winter ein Problem. "Es gibt niemanden, der sie ersetzen kann, also sitzen sie länger dort, ihre Moral sinkt, sie werden krank oder erfrieren", so Oleksandr. "Sie gehen zur Neige, die Front bekommt Risse, die Front bröckelt."
Dmytro, ein anderer stellvertretender Bataillonskommandeur in einer anderen Brigade, sagte der Zeitung, dass seine Infanteristen in der Regel nach fünf bis zehn Tagen Fronteinsatz zwei Tage Pause bekommen würden. Doch die meisten seiner Soldaten seien über 40 Jahre alt und ihre mangelnde körperliche Fitness verschärfe die Probleme noch. "Man kann es spüren; die Leute sind sowohl moralisch als auch physisch erschöpft", sagte Serhij, ein Zugführer der in Awdijiwka kämpft, dem Blatt. "Es ist sehr hart, die Wetterbedingungen, der ständige Beschuss. Das hat große Auswirkungen auf die menschliche Psyche".
Der Mangel an Rotationen sei nicht nur bei der Infanterie ein Problem, schreibt die "Washington Post". Dennoch seien die befragten Militärs weiterhin motiviert, gegen die russischen Invasoren zu kämpfen. Allerdings bräuchten sie auch Erholungszeiten und mehr Männer an ihrer Seite. Ansonsten könnte die Personalknappheit einen Dominoeffekt auslösen.
Quelle: ntv.de, jpe