Von wegen unverwundbar Umfragen zeigen Folgen von Trumps Verurteilung
17.06.2024, 20:55 Uhr Artikel anhören
Die Rivalen: Joe Biden und Donald Trump
(Foto: dpa)
US-Präsident Biden steckt im Unbeliebtheitsloch. Doch an neuen Zahlen wird sichtbar: Wenn noch mehr gegen Donald Trump läuft, könnte ihn der Schuldspruch im Schweigegeldprozess sogar den Wahlsieg kosten.
Er inszeniert sich liebend gern als der Präsident der Herzen. Des Volkes. Der "stillen Mehrheit", der egal sei, was ihm vorgeworfen wird. Schließlich wurde Donald Trump 2016 trotzdem gewählt. Seine Frauenfeindlichkeit war egal. Die Gerüchte über seine Affären ebenso. Seine betrügerische "Universität" kümmerte niemanden. Danach stellte sich der Republikaner immer wieder als unschuldiges Opfer dar. "Hexenjagd!", betet er seit Jahren in Mikrofone und schreit es in Blockbuchstaben durch die Echokammern der sozialen Netzwerke.
Im Schweigegeldprozess von Manhattan wurde er erstmals überhaupt in einem Strafprozess für schuldig befunden: wegen Dokumentenfälschung, um Verstöße gegen das Wahlrecht zu vertuschen. Am Rande der Gerichtsverhandlungen behauptete der designierte Präsidentschaftskandidat regelmäßig, Joe Bidens Regierung habe die Strafverfolgung orchestriert, aber all das werde ihm im Hinblick auf die Wahl im November nichts anhaben. Nun zeigen Umfrageergebnisse etwas anderes. Der Schuldspruch hat vielmehr mögliche politische Folgen; manchen ist die Verurteilung wichtig. Die Wahl im November ist somit offener als zuvor. Wenn noch mehr gegen Trump läuft, könnte der Schweigegeldprozess ihn am Ende zum Verlierer machen.
Insbesondere sogenannte unabhängige Wähler äußerten sich entsprechend: 21 Prozent gaben an, wegen des Schuldspruchs gegen Trump würde sie ihn weniger wahrscheinlich wählen und das Urteil habe großen Einfluss auf ihre Entscheidung. Nur 5 Prozent sagten, sie würden sich deshalb wahrscheinlicher für Trump entscheiden. Alle Wähler zusammengenommen hat das Urteil bei 22 Prozent einen negativen Effekt für den Republikaner, bei 6 Prozent einen positiven.
Allerdings können sich diese Werte durch weitere Ereignisse wieder verändern. Die Verkündung des Strafmaßes ist für den 11. Juli angesetzt. Es gibt noch Fernsehdebatten, die Nominierungsparteitage, vieles mehr könnte zum Wahlkampfthema werden.
Biden im Unbeliebtheitsloch
In den aller Voraussicht nach entscheidenden Bundesstaaten, den "Battleground States", liegen Trump und Biden nah beieinander, mit leichtem Vorteil für den Herausforderer: Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin heißen sie. Bei den Republikanern wird sich kaum jemand umstimmen lassen; von ihnen glauben 80 Prozent, Trump sei auf Anweisung von Bidens Regierung angeklagt worden. Das Urteil macht da kaum noch einen Unterschied. Wohl aber für die anderen: Wie schon vor vier Jahren ist die Hauptmotivation der Wähler pro Biden, dass sie gegen Trump sind.
Für den Demokraten geht es also insbesondere darum, ausreichend eigene Wähler zu mobilisieren und unabhängige für sich zu gewinnen. Nur 2 bis 3 Prozent der Wahlberechtigten sind tatsächliche Wechselwähler ohne Parteitendenz. Biden befindet sich zugleich in einem historischen Unbeliebtheitsloch. Nur rund 40 Prozent der US-Amerikaner sind mit ihm zufrieden. Noch nie wurde ein Präsident mit solchen Zustimmungswerten wiedergewählt.
Doch die Zeiten sind ungewöhnlich. Seit Trumps Wahlsieg 2016 haben sich frühere Annahmen über das Wahlverhalten der US-Amerikaner ein ums andere Mal als überholt herausgestellt. So war etwa schon vor dem Urteil der Anteil derer, die sowohl Biden als auch Trump ablehnten, historisch hoch: 25 Prozent. Daran dürfte sich angesichts der Unterstützung der Republikaner für Trump kaum etwas geändert haben.
Drittkandidaten ohne wirkliche Chance
Die Unzufriedenheit ausnutzen kann indes niemand so richtig. Von den drei weiteren Präsidentschaftskandidaten hat nur der unabhängige Robert F. Kennedy eine winzige Chance: Womöglich zerschlägt sich aber auch diese, falls er sich nicht für die Fernsehdebatte am 27. Juni qualifiziert. Kennedy müssten für einen Auftritt zumindest theoretisch in genügend Bundesstaaten auf den Wahlzetteln stehen, um im November auch gewinnen zu können. Davon ist er weit entfernt.
Trump und Biden werden also aller Voraussicht nach wie schon 2020 ein Duell im Fernsehen austragen. Weil der Republikaner damals den Demokraten häufig nicht ausreden lassen wollte, gibt es eine neue Regel: Wenn der eine spricht, wird das Mikrofon des anderen abgeschaltet. Biden wird sich nicht nehmen lassen, auf Trumps Verurteilung herumzureiten. Schließlich zeigen die Zahlen nun schwarz auf weiß: Trump ist verwundbar.
Quelle: ntv.de