300 Festnahmen in Brasília Verbündete von Ex-Präsident Bolsonaro gehen auf Distanz
09.01.2023, 11:41 Uhr
Die Sicherheitskräfte brauchten Stunden, um die Bolsonaro-Anhänger in den Griff zu bekommen.
(Foto: REUTERS)
Eine Woche nach dem Amtsantritt des Linkspolitikers Lula entlädt sich der Hass auf die neue Regierung in gewaltsamen Protesten und in einem Sturm auf den Kongress. Ex-Präsident Bolsonaro weilt derzeit in den USA - und verliert in der Heimat den Rückhalt in der eigenen Partei.
Nach der Erstürmung des brasilianischen Kongresses und anderer Amtsgebäude durch Anhänger von Ex-Präsident Jair Bolsonaro haben die Justizbehörden unter Hochdruck Ermittlungen zu den Hintergründen eingeleitet. Bis Sonntagabend meldete die Bundespolizei mindestens 300 Festnahmen. Die Generalstaatsanwaltschaft forderte umfassende Aufklärung zu den Drahtziehern und Verantwortlichen der Angriffe.
Hunderte Anhänger des rechtsradikalen Ex-Präsidenten hatten am Sonntag das Kongressgebäude, den Obersten Gerichtshof und den Präsidentschaftspalast in der Hauptstadt Brasília gestürmt und für schwere Verwüstungen gesorgt. Sie erkennen den Wahlsieg von Bolsonaros linksgerichtetem Rivalen Luiz Inácio Lula da Silva nicht an und forderten eine "Militärintervention", um Lula von der Macht zu vertreiben.
Lula will Arbeit wieder aufnehmen
Die Sicherheitskräfte brauchten Stunden, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Zum Zeitpunkt des Angriffs hielt sich Lula nicht in der Hauptstadt auf, kehrte aber rasch zurück und verschaffte sich persönlich ein Bild von der Lage. Auf Twitter kündigte der erst seit Kurzem amtierende Staatschef an, noch an diesem Montag die Arbeit im Präsidentschaftspalast wieder aufzunehmen. "Demokratie für immer", fügte er hinzu.
Die Angriffe erinnern stark an die Erstürmung des US-Kongresses vor zwei Jahren. Sie wurden international scharf verurteilt. Auch Verbündete Bolsonaros und der Ex-Präsident selbst distanzierten sich in ersten Reaktionen.
Der Vorsitzende von Bolsonaros Liberaler Partei, Valdemar Costa Neto, sprach von einem "traurigen Tag für die brasilianische Nation". Der Gouverneur des Bundesdistrikts Brasilia und ebenfalls ein Verbündeter des rechtsradikalen Ex-Präsidenten, Ibaneis Rocha, entschuldigte sich in einem Video bei dessen Amtsnachfolger. Er bezeichnete die Angreifer als "Vandalen" und "Terroristen".
US-Demokraten drängen auf Bolsonaro-Abschiebung
Rocha feuerte den Sicherheitschef der Hauptstadt, Anderson Torres, der zuvor Bolsonaros Justizminister war. Kurz darauf wurde er selbst vom Obersten Richter Alexandre de Moraes für 90 Tage von seinem Amt suspendiert. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte zuvor den Obersten Gerichtshof ersucht, Haftbefehle gegen Torres und alle anderen Amtsträger zu erlassen, die für "Handlungen und Unterlassungen" verantwortlich seien, die zu den Unruhen geführt hätten.
Bolsonaro selbst weilt noch in den USA. US-Demokraten fordern nach dem Kongress-Sturm, der Ex-Präsident solle das Land verlassen. "Im Moment ist Bolsonaro in Florida ... er sollte an Brasilien ausgeliefert werden", sagte Demokrat Joaquin Castro, Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses, dem US-Sender CNN. "Die Vereinigten Staaten sollten kein Zufluchtsort für diesen autoritären Mann sein, der den Terrorismus in Brasilien inspiriert hat."
Auch Fraktionskollegin Alexandria Ocasio-Cortez erklärte, die USA müssten aufhören, Bolsonaro Zuflucht zu gewähren. "Beinahe auf den Tag zwei Jahre, nachdem das US-Kapitol von Faschisten angegriffen wurde, sehen wir faschistische Bewegungen außerhalb, beim gleichen Versuch in Brasilien", schrieb Ocasio-Cortez auf Twitter.
Quelle: ntv.de, mba/AFP