Opfer aus Berlin verschleppt Vietnams neuer Präsident in Entführungsfall verwickelt
22.05.2024, 08:29 Uhr Artikel anhören
To Lam löste 2017 als Sicherheitsminister eine schwere diplomatische Krise zwischen Hanoi und Berlin aus.
(Foto: picture alliance/dpa/National Assembly via AP)
Zum dritten Mal in nur drei Jahren hat Vietnam einen neuen Präsidenten. Der Neue heißt To Lam - und ist auch in Deutschland kein Unbekannter. Er soll der Auftraggeber der Tiergarten-Entführung in Berlin sein.
In Vietnam ist der bisherige Minister für öffentliche Sicherheit als neuer Staatspräsident vereidigt worden. Die Nationalversammlung wählte das 66-jährige Politbüromitglied To Lam zum Nachfolger von Vo Van Thuong, der im März im Zuge eines Korruptionsskandals zurückgetreten war. Das neue Staatsoberhaupt ist allerdings auch Ermittlungsbehörden in Deutschland ein Begriff. Er steht im Zentrum eines Entführungsfalls, der die bislang schwerste diplomatische Krise zwischen den Regierungen in Berlin und Hanoi ausgelöst hatte.
Was ist passiert? 2016 übernahm Lam das Amt als Minister für öffentliche Sicherheit. Nur ein Jahr später wurde der ehemalige vietnamesische Politiker und frühere Konzernchef Trinh Xuan Thanh aus dem Berliner Tiergarten entführt und in seine Heimat verschleppt. Der nun zum Präsidenten auserkorene Lam hatte in seiner damaligen Funktion als Sicherheitsminister laut einem Urteil des Berliner Kammergerichts die Verschleppung seines in Ungnade gefallenen Parteifreundes durch den vietnamesischen Geheimdienst persönlich in Auftrag gegeben.
Er soll sich nach Erkenntnissen der deutschen Ermittler auch an Bord des Flugzeugs befunden haben, das Thanh von der Slowakei aus nach Vietnam brachte. Die Bundesregierung wertete den Vorfall als eine Verletzung von Deutschlands Souveränität und wies mehrere vietnamesische Diplomaten aus. Die "strategische Partnerschaft", die 2011 mit dem kommunistisch regierten Land vereinbart worden war, wurde vorübergehend ausgesetzt.
Inzwischen hat sich das Verhältnis zu dem Land wieder stabilisiert. Erst im Januar war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem Staatsbesuch in Vietnam. Doch mit To Lam im Präsidentenamt dürften sich Kontakte aus Sicht von politischen Beobachtern künftig komplizierter gestalten. Noch ist nicht klar, ob Steinmeier seinem Amtskollegen zur Wahl gratulieren wird.
Ein Korruptionsskandal folgt auf den anderen
Doch auch in seiner Heimat hat Lam nicht den besten Ruf. In den sozialen Medien kursiert ein Video des neuen Präsidenten, das ihn beim Verzehr eines mit Blattgold veredelten Steaks zeigt. Außerdem geriert sich Lam als Hardliner im Umgang mit der vietnamesischen Demokratiebewegung. Als Sicherheitsminister ließ er immer wieder Aktivisten und Blogger festnehmen.
Mit Lams Ernennung hat Vietnam schon zum dritten Mal innerhalb von nur drei Jahren ein neues Staatsoberhaupt - eine ungewohnte Situation in dem Land am Mekong, das sonst für seine politische Stabilität bekannt ist. Faktisch wurde der Rücktritt von Lams Vorgänger Vo Van Thuong nach nur einem Jahr im Amt von der Kommunistischen Partei forciert. Und auch dessen Vorgänger war nach Korruptionsvorwürfen zurückgetreten.
Der vietnamesische Präsident hat allerdings keine großen politischen Befugnisse. Das eher repräsentative Amt wird nach dem des Parteivorsitzenden und des Regierungschefs nur als drittwichtigstes in der politischen Hierarchie angesehen. Die Anti-Korruptionskampagne wird von KPV-Generalsekretär Nguyen Phu Trong angeführt, dem mächtigsten Mann in dem südostasiatischen Einparteienstaat. Lam war bisher eine wichtige Figur bei der Umsetzung der Maßnahmen.
Quelle: ntv.de, hny/dpa