Politik

Brücken-Kollaps in Italien Von Nord nach Süd bröckelt es gefährlich

Bislang sind nach dem Unglück in Genua 39 Tote geborgen worden.

Bislang sind nach dem Unglück in Genua 39 Tote geborgen worden.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Regierung verspricht, Italiens marodes Straßennetz wieder auf die Beine zu bringen. Koste es, was es wolle und jeglichem EU-Spardiktat zum Trotz. Eine Herkulesaufgabe, da es weder eine Kartierung noch ein nationales Straßenkataster gibt.

Noch immer suchen die Rettungskräfte unter den Trümmern der in Genua kollabierten Autobahnbrücke nach Opfern. Die Hoffnung, weitere Überlebende zu finden, ist jedoch nur noch gering. Bislang haben die Einsatzkräfte 39 Tote geborgen. Hunderte, die in den Häuserblöcken unter der Brücke lebten, mussten ihre Wohnungen verlassen. Die Gefahr, dass auch weitere Teile des Viadukts einbrechen könnten, bleibt bestehen und es ist fraglich, ob sie überhaupt wieder dort einziehen können.

Bei einer außerordentlichen Kabinettsitzung in Genua hat Ministerpräsident Giuseppe Conte einen Tag der Staatstrauer angekündigt. Zugleich verhängte er einen einjährigen Notzustand in der Hafenstadt. Fünf Millionen Euro fließen als Soforthilfe.

"Maut nirgends in Europa höher"

Der private Betreiber - Autostrade per l’Italia, der Gruppe Atlantia, dessen Hauptbeteiligter die Familie Benetton ist - soll seine Konzession verlieren. Nirgendwo in Europa sei die Autobahnmaut höher als in Italien, "doch wenn man die Erträge dann nicht in die Instandhaltung investiert, sondern nur als Gewinne austeilt, kommt der Moment, in dem Brücken einstürzen", ließ Vize-Regierungschef Luigi di Maio erklären. Autostrade wies die Anschuldigungen zurück. Zugleich erklärte das Unternehmen, die Brücke in den kommenden fünf Monaten wieder aufzubauen.

Doch damit wäre es nicht getan, das Problem in Italien ist tiefgreifender. Zwar gilt der Zusammenbruch eines Teils der Morandi-Brücke als das schwerste Unglück dieser Art seit Jahrzehnten. Doch genau genommen war es nur der letzte in einer langen Reihe. 2015 kollabierte das Viadukt Himera entlang der sizilianischen Autobahn Palermo - Catania. Ein Jahr später stürzte eine Brücke in Lecco am Comer See zusammen und erst 2017 eine Autobahnbrücke in der Nähe von Ancona in der Region Marken.

Millionen gewährt - Milliarden gebraucht

Seit Jahren wissen die Behörden über die kritische Lage von Teilen der Infrastruktur Bescheid, weswegen 2013 ein Plan zur Instandhaltung und Wartung der vom staatlichen Betreiber ANAS verwalteten Brücken, Viadukte und Tunnel verabschiedet worden war. Doch es verstrichen weitere drei Jahre, bevor erste Arbeiten begannen. Für den Fünf-Jahres-Zeitraum bis 2020 sieht der Plan Investitionen von jährlich 350 Millionen Euro vor. Viel zu wenig, meinen die Experten. Denn um Italiens 1,5 Millionen Kilometer langes Straßennetz wirklich sicher zu machen, müsste man etliche Milliarden investieren, wie der Nationale Forschungsrat CNR erklärt.

Laut der Turiner Tageszeitung "La Stampa" bröckelt es von Nord nach Süd den ganzen Stiefel entlang. Vor allem der Zustand der Brücken und Viadukte ist kritisch. "Leider weiß man aber offiziell gar nicht, wie viele es überhaupt sind, denn es gibt dazu weder eine Kartierung noch ein nationales Straßenkataster, obwohl die Verkehrsordnung diesen vorsieht", schreibt die Zeitung.

Hinzu kommen noch die vielen Betreiber des Netzes. 1,3 Millionen Kilometer, der Großteil also, fällt in den Kompetenzbereich der Gemeinden. Weitere 155.000 Kilometer unterstehen der regionalen Verwaltung, 25.000 Kilometer dem Staatsunternehmen ANAS. Und dann sind da noch die Privaten, die insgesamt 7123 Kilometer Autobahnen mit 686 Tunnel und 1608 Brücken in Konzession haben.

Was bringt der neue Haushalt?

2008 verabschiedete die EU eine Sicherheits-Richtlinie zur Instandhaltung der Infrastrukturen. Auch Italien hat diese unterschrieben. Doch bisher ist nicht einmal die vorgesehene unabhängige Expertenkommission ernannt. Es fehle an den nötigen Finanzen, heißt es immer wieder.

Doch finanzielle Engpässe soll es in Zukunft nicht mehr geben, wie Innenminister Matteo Salvini immer wieder versichert hat. "Gleich ob die EU damit einverstanden ist oder nicht, gleich ob wir das Haushaltsbudget sprengen."

Bleibt also nur, darauf zu warten, was die Koalition der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der nationalistischen Lega, die in den Wahlprogrammen eine "Flat Tax" und ein Bürgereinkommen versprochen haben, aus den ohnehin schon schwächelnden Staatskassen herauszaubern werden. Spätestens am 20. September, wenn das endgültige Haushaltsgesetz vorgelegt werden muss, wird man es wissen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen