Politik

Prigoschin widerspricht Putin Wagner-Chef nennt Gründe für "Spezialoperation" Lüge

Der Wagner-Chef unterhält einen Pressedienst, der ihn immer wieder als Kriegserklärer in Szene setzt. Hier ein Bild von Mitte Mai.

Der Wagner-Chef unterhält einen Pressedienst, der ihn immer wieder als Kriegserklärer in Szene setzt. Hier ein Bild von Mitte Mai.

(Foto: picture alliance/dpa/PRIGOZHIN PRESS SERVICE/AP)

Der Chef der Wagner-Söldner beklagt, die russische Armee habe im Süden und dem Osten der Ukraine den Rückzug angetreten. Damit widerspricht er direkt einer Erfolgsmeldung Putins. Auch die offiziellen Gründe für den Überfall des Nachbarlandes bezweifelt Prigoschin.

In seinen Verbalattacken gegen die russische Militärführung hat der Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin erstmals der offiziellen Begründung für den Angriff auf die Ukraine widersprochen. Das Verteidigungsministerium versuche, Präsident Wladimir Putin und die Öffentlichkeit zu täuschen, sagte der Chef der Söldnergruppe Wagner in einem am Morgen veröffentlichten Video. Dass von der Ukraine eine Aggression ausgehe und diese gemeinsam mit der NATO Russland angreifen solle, sei eine Lügengeschichte. "Die Spezialoperation wurde aus anderen Gründen begonnen", sagte Prigoschin, der Verteidigungsminister Sergej Schoigu wiederholt scharf kritisiert hat.

"Der Krieg war notwendig, damit Schoigu Marschall werden und eine zweite Heldenmedaille bekommen kann." Außerdem habe sich die russische Elite damit substanzieller Vermögenswerte bemächtigen wollen. "Der Krieg war nicht notwendig, um die Ukraine zu demilitarisieren oder denazifizieren", so der Geschäftsmann.

Damit widersprach Prigoschin indirekt auch Putin. Der Kreml-Chef gilt als Gönner Prigoschins, der seinerseits offene Kritik an Putin stets vermieden hat. Putin hatte erklärt, die als "militärische Spezialoperation" bezeichnete Invasion seit dem 24. Februar vergangenen Jahres habe das Ziel, die Ukraine zu demilitarisieren oder denazifizieren. Er hat den Krieg auch als Existenzkampf gegen den Westen bezeichnet, der eine Zerstörung Russlands anstrebe. Diese Darstellung wird von der Ukraine sowie von zahlreichen westlichen und anderen Staaten zurückgewiesen. Ministerium und Präsidialamt in Moskau äußerten sich wie üblich nicht zu Prigoschins Erklärungen.

"Russische Armee zieht sich zurück"

Auch zum Frontgeschehen äußerte sich der Wagner-Chef und warf der Armee vor, Truppen angesichts der ukrainischen Gegenoffensive aus dem Süden und dem Osten der Ukraine zurückzuziehen. "Auf dem Schlachtfeld (...) zieht sich die russische Armee an den Fronten von Saporischschja und Cherson zurück", sagte Prigoschin und fügte hinzu: "Die Streitkräfte der Ukraine drängen die russische Armee zurück."

"Wir waschen uns in Blut. Niemand bringt Verstärkung. Was sie uns erzählen, ist eine bittere Täuschung", sagte Prigoschin weiter und widersprach dabei direkt Putins Aussagen, der von "katastrophalen" Verlusten beim Gegner und einer Flaute bei der Gegenoffensive der ukrainischen Seite gesprochen hatte. Der Kreml hatte im vergangenen Jahr die Regionen Cherson und Saporischschja im Süden der Ukraine für annektiert erklärt, räumt aber ein, keine volle Kontrolle über sie zu haben.

Ukrainischer Durchbruch bei Robotyne?

Weder die Ukraine noch das Verteidigungsministerium in Moskau kommentierten Prigoschins Behauptungen zum Frontgeschehen. Allerdings sagte auch die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar im ukrainischen Fernsehen, Kiews Streitkräfte rückten im Süden weiter vor. Russische Militärblogger meldeten, den ukrainischen Streitkräften sei im Süden bei Robotyne ein erster Durchbruch gelungen. Russischen Telegram-Kanälen zufolge sollen die ukrainischen Offensivkräfte auf gepanzerten NATO-Fahrzeugen "durch unsere Schützengräben gebrochen" sein. Dabei soll auch der US-amerikanische Bradley-Panzer beteiligt gewesen sein. Noch lassen sich die Aussagen nicht verifizieren.

Die zu einem beträchtlichen Teil aus russischen Gefängnissen rekrutierten Prigoschin-Söldner haben bei den russischen Kämpfen in der Ukraine eine zentrale Rolle gespielt. Ganz besonders prominent traten die Kämpfer des 62-jährigen Geschäftsmanns mit ehemals guten Kreml-Verbindungen bei der langwierigen und blutigen Einnahme von Bachmut in der Region Donezk auf.

In den vergangenen Monaten hat sich Prigoschin - frustriert über Nachschubprobleme und mangelnde Unterstützung durch Moskau - über seinen Telegram-Kanal zu einem der vehementesten Kritiker der militärischen Führung Russlands entwickelt.

Quelle: ntv.de, mau/rts/AFP

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