Präsidentschaftswahl steht anEine Linke und drei Rechte mit deutschen Wurzeln wollen Chile regieren

Bei der Präsidentschaftswahl in Chile treten ein Mitglied der kommunistischen Partei, ein rechtsextremer Youtuber, der Sohn eines Wehrmachtssoldaten und die Kandidatin der Diktatorenpartei gegeneinander an. Es zeichnet sich eine Stichwahl ab.
Ein sozialdemokratisches Mitglied der kommunistischen Partei und ein ultrarechter Pinochet-Fan - gegensätzlicher könnten die beiden Favoriten der Präsidentschaftswahl in Chile kaum sein. Den Umfragen zufolge wird sich das Rennen nach der ersten Runde am Sonntag erst am 14. Dezember in einer Stichwahl zwischen der linken Jeannette Jara und dem rechtsnationalen José Antonio Kast entscheiden - es sei denn, dem in den Umfragen Drittplatzierten, dem Rechtsradikalen Johannes Kaiser, gelingt noch die Aufholjagd.
Jeannette Jara: Sozialdemokratische Linke mit kommunistischen Wurzeln
Jeannette Jara, Kind aus einem Arbeiterviertel im Norden der Hauptstadt Santiago de Chile, engagierte sich schon als Jugendliche in der Kommunistischen Partei. Bis heute ist sie Mitglied bei den Kommunisten, wird jedoch dem sozialdemokratischen Flügel zugerechnet. Orthodoxe Parteimitglieder hatten sie mehrfach aufgrund ihrer Distanzierung zu Havanna und Moskau kritisiert. "Sie präsentiert sich als Abweichlerin", sagt ihre Biografin Alejandra Carmona.
Jara tritt nicht als Kandidatin der Kommunistischen Partei an, sondern gewann die Vorwahlen der regierenden Mitte-Links-Koalition. Ihre Anhänger schätzen ihr Charisma und ihren versöhnlichen Ton. Die Chilenen kennen die 51-Jährige als frühere Arbeits- und Sozialministerin. In diesem Amt setzte sie die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 45 auf 40 Stunden durch und brachte eine Reform des privaten Rentensystems auf den Weg.
In ihrem Wahlprogramm verspricht sie, den Mindestlohn weiter zu erhöhen – auf umgerechnet 700 Euro. Die studierte Verwaltungswissenschaftlerin und Juristin kündigte aber auch an, als Präsidentin die Kontrollen gegen illegale Einwanderung verschärfen und die wachsende Kriminalität bekämpfen zu wollen. Sie greift damit Themen auf, die üblicherweise die rechten Parteien besetzen. Gerade in der Hauptstadt Santiago dominierte jedoch zuletzt die Debatte um Sicherheit. "Die öffentliche Sicherheit wird vom ersten Tag an ein wichtiges Thema sein", erklärte Jara.
José Antonio Kast: Der Ultrarechte mit deutschen Wurzeln
Für José Antonio Kast ist es bereits der dritte Präsidentschaftswahlkampf, der Ultrarechte tritt für die Republikanische Partei an. Der 59-jährige Anwalt stammt aus einer deutschen Familie. Sein Vater gehörte der Hitlerjugend an und diente als Wehrmachtssoldat. Nach Kriegsende setzte er sich nach Chile ab. Einer von Kasts Brüdern war Minister unter dem langjährigen chilenischen Diktator Augusto Pinochet (1973-1990).
Auch der immer perfekt gekleidete Kast selbst macht keinen Hehl aus seiner Bewunderung für den Diktator, der Zehntausende Oppositionelle verfolgen, foltern und töten ließ. Im Wahlkampf vermied Kast aber polemische Äußerungen, insbesondere zu Themen wie Abtreibung (verboten) und gleichgeschlechtlicher Ehe (2021 eingeführt). Auch mit seinen Sympathien für den libertären argentinischen Staatschef Milei und den wegen eines Putschversuches verurteilten brasilianischen Ex-Präsidenten Bolsonaro hielt er sich zuletzt zurück.
Dieses Mal will der Ultrarechte die Wahl unbedingt gewinnen, er zählt die Tage bis zur erhofften Übernahme der Macht. Sein Wahlkampf war dominiert davon, die Einwanderung drastisch zu begrenzen. Alle Einwanderer ohne Papiere würden rausgeworfen. "Wenn sie nicht freiwillig gehen, werden wir sie holen", drohte er.
Der Polizei will Kast, der selbst einen Revolver besitzt, den Schusswaffengebrauch erleichtern. Seine Partei führt er mit einer Mischung aus "persönlicher Sympathie" und "strenger Kontrolle", wie die Journalistin Javiera González schreibt. "Kast, der Messias der chilenischen Rechten", heißt eine von ihr mitverfasste Biografie.
Johannes Kaiser: Rechtsradikaler mit libertärer Ausrichtung
Auch Johannes Kaiser hat deutsche Wurzeln, allerdings floh sein Großvater nach seinen Angaben vor den Nazis nach Chile. Der 49-jährige Libertäre gilt als deutlich rechtsradikaler als Kast. In seinem Youtube-Kanal stellte er das Wahlrecht für Frauen infrage und verhöhnte Vergewaltigungs- sowie Pinochet-Opfer. Der stämmige Kaiser trägt Vollbart und gern auch Manschettenknöpfe mit dem deutschen Eisernen Kreuz. Er hat sieben Studiengänge begonnen, aber keinen einzigen abgeschlossen. Eine Zeit lang lebte er in Österreich, wo er als Kellner, Bauarbeiter und als Rezeptionist im Hotel arbeitete.
Kaiser ist Vorsitzender der 2024 von ihm gegründeten Nationallibertären Partei, die kompromisslos für Sicherheit eintritt, wirtschaftlichen Ultraliberalismus propagiert und moralisch konservativ auftritt. Die Ministerien für Bildung, Frauen und Umwelt will er abschaffen und den Austritt Chiles aus dem Pariser Klimaabkommen vorantreiben. Damit bewegt er sich auf einer Linie mit dem libertären argentinischen Präsidenten Javier Milei.
Auch er hat angekündigt, alle Einwanderer ohne Aufenthaltserlaubnis auszuweisen; diejenigen mit Vorstrafen will er in ein berüchtigtes Mega-Gefängnis in El Salvador stecken. Und die Armee will er dort einsetzen, wohin die Polizei wegen "des bewaffneten Widerstands von terroristischen Gruppen oder Kriminellen" nicht vordringen kann.
Evelyn Matthei: Die Konservative von der etablierten Rechten
Die konservative Kandidatin Evelyn Matthei ist die dritte im Kreis der rechtsgerichteten Kandidaten mit deutschen Vorfahren. "Dankeschön", antwortete sie kürzlich auf Deutsch bei einer TV-Debatte, als Kaiser ihr zu ihrem 72. Geburtstag eine Rose überreichte. Wie bei vielen Deutschstämmigen in Chile, kam Mattheis Familie schon im 19. Jahrhundert in das südamerikanische Land. Sie ist Kandidatin der Unión Demócrata Independiente, welche während der Militärdiktatur von Pinochet regierte. Ihr Vater war zudem Oberbefehlshaber von Pinochets Luftwaffe.
Die frühere Ministerin für Arbeit und Ex-Bürgermeisterin von Providencia, einer wohlhabenden Vorstadt von Santiago de Chile, gilt als deutlich gemäßigter als Kast und Kaiser. Dennoch verteidigt auch sie den Sturz 1973 des damals demokratisch gewählten linken Präsidenten Salvador Allende. Obwohl sie seit fast 40 Jahren in der Politik tätig und in ganz Chile bekannt ist, lag Matthei in Umfragen zuletzt auf dem vierten Platz.
Alle Umfragen deuten darauf hin, dass es am 14. Dezember zu einer Stichwahl kommen wird. Aber auch das ist nicht eindeutig. Entscheidend ist die Frage, wie sich etwa ein Drittel der Wähler entscheidet, die als unpolitisch im Wählerverzeichnis eingetragen sind, sich aber aufgrund der Wahlpflicht für einen Kandidaten oder eine Kandidatin entscheiden müssen.