London liefert Kiew Kampfpanzer Was der britische "Challenger 2" kann
17.01.2023, 01:32 Uhr
Britische Challenger 2 während einer Übung.
(Foto: imago/StockTrek Images)
Großbritannien will der Ukraine "Challenger 2" liefern. Der Panzer gilt als schwerfällig und langsam. Beim Kampf gegen befestigte Stellungen könnte er sich allerdings als wirksame Waffe erweisen, meint ein Experte.
Großbritannien wird der Ukraine in den kommenden Wochen 14 Kampfpanzer vom Typ "Challenger 2" liefern. Das teilte das Büro von Premierminister Rishi Sunak am späten Samstagabend in einer Erklärung mit. Schon in den kommenden Tagen sollen ukrainische Soldaten im Umgang mit dem Gerät geschult werden. Bisher haben westliche Staaten keine Kampfpanzer aus eigener Produktion in die Ukraine geschickt. Die Entscheidung Londons erhöht daher auch den Druck auf Berlin, der Ukraine deutsche "Leopard 2"-Panzer zu liefern.
Der "Challenger 2" wurde in den 80er Jahren entwickelt, Mitte der 90er Jahre in Dienst gestellt und seitdem immer wieder modernisiert. Laut Hersteller BAE Land Systems ist er für das "Gefecht gegen mechanisierte Gegner" konzipiert. Der Kampfpanzer ist das Rückgrat der britischen Landstreitkräfte. Momentan verfügt London über 224 Exemplare, verteilt auf vier Regimenter. Bislang kam der "Challenger 2" sowohl in Bosnien als auch im Irakkrieg zum Einsatz.
Zielerfassung und Feuerleitsystem des "Challenger 2" gelten als hervorragend. Auch seine Verbundpanzerung wird als wirksam bezeichnet. Als Hauptbewaffnung dient eine Kampfwagenkanone im Kaliber 120-Millimeter. Zudem verfügt er über ein Maschinengewehr und eine Maschinenkanone - beide im Kaliber 7,62 Millimeter. Zusätzlich kann ein ferngesteuertes System am Turm montiert werden, das mit einem schweren MG ausgerüstet werden kann.
Verschießt keine Standard-Munition der NATO
Anders als viele andere westliche Kampfpanzer verfügt der "Challenger 2" nicht über eine Glattrohrkanone, sondern eine mit gezogenem Lauf. Dadurch kann er mit seiner Hauptwaffe zwar weiter schießen, dafür mit seinen Granaten die Panzerungen anderer moderner Panzer aber seltener durchschlagen. Aufgrund der Hauptkanone kann er keine NATO-Standardmunition verschießen, was von vielen Experten als Nachteil angesehen wird.
Der 65-Tonnen-Panzer ist für vier Besatzungsmitglieder ausgelegt. Durch Module kann sich das Gewicht auf 75 Tonnen erhöhen, was ihn zum schwersten modernen Kampfpanzer der Welt macht. Der russische T-90 wiegt keine 50 Tonnen. Mit seinem 1200-PS-Motor erreicht der "Challenger 2" eine Spitzengeschwindigkeit von 59 Kilometern pro Stunde. Abseits befestigter Straßen sinkt die Höchstgeschwindigkeit auf 40 Kilometer pro Stunde. Zum Vergleich: Der "Leopard 2 A7" bringt es auf bis zu 70 Kilometer pro Stunde.
"Vielen seiner russischen Gegenmodelle mindestens ebenbürtig"
Die Reichweite des "Challenger 2" wird mit bis zu 450 Kilometer angegeben. Als Besonderheit kann er am Heck zwei zusätzliche Treibstofffässer führen. Das steigert zwar die Reichweite, ist allerdings auch ein gutes Ziel für gegnerische Panzerjäger. Außer Großbritannien nutzt bislang nur der Oman den "Challenger 2". Das macht ihn angesichts möglicher Lieferanten und der Verfügbarkeit von Munition und Ersatzteilen weniger attraktiv für Kiew als den deutschen "Leopard", den weltweit 20 Länder nutzen.
"Sollte es zu Panzerduellen kommen, wäre der 'Challenger 2' vielen seiner russischen Gegenmodelle mindestens ebenbürtig", sagte Ralf Raths, Direktor des Deutschen Panzermuseums in Munster gegenüber dem "Spiegel". "Russland setzt in der Ukraine oft ältere Kampfpanzer wie den T62 ein, der verfügt nur über eine alte Stahlpanzerung. Die kann ein 'Challenger 2' durchschlagen, vor allem, wenn schwere Urankern-Munition eingesetzt wird."
Laut Raths eignet sich der "Challenger 2" besonders, um Bunkeranlagen zu knacken. "Die alten Rohre des 'Challenger 2' sind perfekt geeignet für Quetschkopfmunition", erklärt der Panzerexperte. Während panzerbrechende Kinetik-Geschosse ihre Energie auf einen kleinen Punkt konzentrieren und ein kleines Loch hinterlassen, können Quetschkopfgeschosse des "Challenger 2" beim Aufprall aufplatzen und im Innenraum großräumig Schaden anrichten. "Damit sind die 'Challenger 2' perfekt dazu geeignet, bei einer ukrainischen Gegenoffensive Bunker und Gebäude auszuschalten", so Raths.
Quelle: ntv.de, jpe