Politik

Vierte Impfung gegen Corona Wer zuerst geimpft wurde, muss jetzt noch warten

Über 60-Jährige und medizinisches Personal können sich in Israel bereits zum vierten Mal impfen lassen.

Über 60-Jährige und medizinisches Personal können sich in Israel bereits zum vierten Mal impfen lassen.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Experten empfehlen für Ältere und andere Risikogruppen eine vierte Impfung gegen Corona. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach geht davon aus, dass eine vierte Impfung nötig wird. Der Immunologe Peter Kern sagt, für Risikogruppen müsse die zweite Boosterung "spätestens drei Monate nach der ersten" kommen. Doch gerade für diese Personen liegt die jüngste Impfung häufig länger zurück.

Während in diesen Tagen viel von einer Impfpflicht die Rede ist und die Bundesregierung dazu aufruft, beim Impfen und Boostern nicht nachzulassen, gerät eine Gruppe ein bisschen in Vergessenheit: die früh Geimpften. Wer sich bereits im Januar 2021 zum ersten Mal impfen lassen konnte, dann pünktlich zur Zweitimpfung gegangen ist und sich frühzeitig hat boostern lassen, für den liegt der letzte Piks mittlerweile unter Umständen fünf Monate zurück.

Das betrifft naturgemäß vor allem Risikogruppen: Ältere, medizinisches Personal und Menschen mit unterdrücktem Immunsystem. Aus Krankenhäusern ist zu hören, dass Angestellten dort eine vierte Impfung angeboten wird. Aber für einfache Bürgerinnen und Bürger, die wegen ihres Alters oder einer Vorerkrankung Angst vor einer Corona-Infektion haben, dürfte es schwer sein, beim Hausarzt eine zweite Auffrischungsimpfung zu erhalten.

"Die Ständige Impfkommission hat bisher keine Empfehlung für eine vierte Impfung ausgesprochen, entsprechend wird diese aktuell grundsätzlich auch nicht in den Hausarztpraxen angeboten", sagt der Sprecher des Hausärzteverbands, Vincent Jörres. "Wir rechnen jedoch damit, dass eine vierte Impfung zukünftig notwendig sein wird."

Ist eine vierte Impfung tatsächlich nötig?

Wie so häufig bei Corona ist das eine schwierige Frage. Der Virologe Klaus Stöhr sagte bei ntv, "Top-Priorität" bleibe die Zweit- und die Booster-Impfung. Eine vierte Impfung für die gesamte Population halte er "für absolut nicht vernünftig", so Stöhr. Wenn die dritte Impfung vor Kurzem verabreicht worden sei, bringe sie "gut durch den Winter". Stöhr ergänzte allerdings, dass darüber nachgedacht werden müsse, ob eine vierte Impfung für über 60-Jährige und Menschen mit schwachem Immunsystem sinnvoll sei.

Stöhr verwies auf eine israelische Studie, die in einem Zwischenergebnis zu dem Schluss kam, dass eine vierte Corona-Impfung nicht ausreichend gegen die Omikron-Variante schütze. Studienleiterin Gili Regev sagte allerdings auch, Immungeschwächten könnte die vierte Dosis "einen kleinen Vorteil" verschaffen. "Wenn jemand eine persönliche Gefährdung hat, dann sollte man besser jetzt impfen, wenn nicht, dann vielleicht besser abwarten." Über 60-Jährige und medizinisches Personal können sich in Israel bereits zum vierten Mal impfen lassen.

"Jedes Immunsystem braucht 'Wiederholungslektionen' für eine einmal gelernte Immunantwort", erklärt der Fuldaer Immunologe Peter Kern im Gespräch mit ntv.de. "Das können Infektionen mit dem betreffenden Erreger oder Booster-Impfungen sein. Schwächere Immunsysteme - also Risikogruppen - behalten eine Lektion aber nicht so lange und auch nicht so intensiv. Diese Menschen sind im Falle einer Infektion auch viel stärker gefährdet, schwer zu erkranken. Deswegen müssen sie häufiger geimpft werden. Für sie muss die zweite Boosterung bald kommen, spätestens drei Monate nach der ersten." Es sei bekannt, "dass man selbst stark geschwächte Immunsysteme erfolgreich stimulieren kann", so Kern, "nur braucht es dafür mitunter fünf oder sechs Impfungen. Hier muss der Fokus der Booster-Strategie liegen."

Auch der Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing, Clemens Wendtner, mahnte zur zügigen Vorbereitung auf die vierte Corona-Impfung. "Für mich wäre eine Viertimpfung vier bis sechs Monate nach der dritten Impfung eine adäquate Maßnahme", sagte er. "Man muss eine Viertimpfungs-Kampagne jetzt schon vorbereiten, auch von der Verfügbarkeit der derzeit zugelassenen Impfstoffe her. Da dürfen wir nicht erst daran denken, wenn wir März oder April haben."

Was sagt der Bundesgesundheitsminister?

Am Montag schrieb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf Twitter, die erwähnte israelische Studie zeige "bisher enttäuschende Ergebnisse". Der SPD-Politiker hatte bereits im Dezember gesagt, man müsse davon ausgehen, dass im Kampf gegen das Coronavirus eine vierte Impfung nötig sein werde. Am 10. Januar sagte er in der ARD-Sendung "Hart aber fair" mit Blick auf Daten aus Israel, es könnte sein, "dass der optimale Abstand zwischen dritter und vierter Impfung, so eine vierte Impfung notwendig wird, sechs Monate beträgt". Sobald es bei dem Thema Sicherheit gebe, "werden wir eine Empfehlung geben". "Ich glaube, dass wir da in ganz kurzer Zeit einen Vorschlag machen können", so Lauterbach.

Was sagen RKI und STIKO?

Nach aktuellem Stand heißt es von der beim Robert-Koch-Institut ansässigen Ständigen Impfkommission: "Ob und wenn für wen in Zukunft weitere Auffrischimpfungen nötig sein werden, ist unsicher. Hierzu fehlen noch wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Wirksamkeit nach drei Impfstoffdosen über einen langen Zeitraum untersuchen." Diese Stellungnahme datiert vom 21. Dezember.

Was sagt die Opposition?

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, zeigt sich mit Blick auf eine vierte Impfung skeptisch. "Wir müssen vermeiden, uns in Richtung eines Dauer-Impfens zu bewegen", sagt der CDU-Politiker ntv.de. "Wir setzen große Hoffnung in die neue Generation von Impfstoffen, das Impfen muss aber irgendwann seinen Schlusspunkt finden. Den Menschen auf Dauer zuzumuten, sich jedes Quartal aufs Neue impfen zu lassen, dürfte langfristig keine tragfähige Option sein. Der Ansatz 'viel hilft viel' ist gerade in der Medizin kein guter Ratgeber."

Sorge sieht Lauterbach in der Pflicht, Klarheit zu schaffen: "Hält er eine vierte Impfung für erforderlich - und falls ja: für welche Gruppen? Welche Erkenntnisse zum medizinischen Nutzen gibt es? Und was würde das für eine mögliche Impfpflicht bedeuten?"

Was sagen die Bundesländer?

Sie warten auf die STIKO. "Berlin ist für die möglicherweise notwendige vierte Impfung gut gewappnet", sagt eine Sprecherin der grünen Gesundheitssenatorin Ulrike Gote. "Derzeit gibt es dafür aber noch keine Empfehlung oder Einschätzung der Ständigen Impfkommission oder des Robert-Koch-Instituts, deshalb können wir jetzt auch noch keine eindeutigen Aussagen zur zukünftigen Impfstrategie Berlins machen."

Aus Bayern klingt das etwas ungeduldiger. "Klar ist: Wir müssen uns auf jeden Fall frühzeitig auf eine mögliche vierte Impfung vorbereiten, wir brauchen Planungssicherheit", sagt Gesundheitsminister Klaus Holetschek. "Denn Voraussetzungen für die vierte Impfung sind unter anderem genug Impfstoff, entsprechende wissenschaftliche Empfehlungen sowie eine flächendeckende Impfinfrastruktur. Der Bund hat bereits die weitere hälftige Finanzierung der Impfzentren zugesagt, was ich sehr begrüße."

Der CSU-Politiker fordert vom Bund, "hier auch rasch auf wissenschaftlicher Ebene Klarheit zu schaffen, wann eine vierte Impfung den größtmöglichen Schutz bietet". Die Daten aus Israel seien hier leider noch nicht so aussagekräftig. "Ich hoffe, dass bald bessere Daten vorliegen, gerade im Hinblick auf die vulnerablen Gruppen in Alten- und Pflegeheimen, deren Booster-Impfungen teils schon länger zurückliegen", so Holetschek. "Für sie brauchen wir rasch Klarheit."

Wie geht es weiter?

Wann eine vierte Corona-Impfung sinnvoll ist, sei von einer Reihe von Faktoren abhängig, sagt Vincent Jörres vom Hausärzteverband. Etwa davon, wann und vor allem wie viel von einem angepassten Impfstoff zur Verfügung steht oder wie sich die pandemische Lage entwickelt. "Grundsätzlich wäre es sinnvoll, langfristig die Corona-Impfung mit der Grippe-Impfung zu kombinieren, auch um den Schutz vor Corona in eine Routine zu überführen."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen