Politik

Israels Pressefreiheit in Gefahr Wie Netanjahu gegen kritische Medien kämpft

Netanjahu versucht seit seiner Wahl im Jahr 2009, die Medienlandschaft nach seinen Wünschen umzubauen.

Netanjahu versucht seit seiner Wahl im Jahr 2009, die Medienlandschaft nach seinen Wünschen umzubauen.

(Foto: REUTERS)

Im Umgang mit der freien Presse nähert sich der israelische Premier immer stärker Autokraten wie Putin oder Erdogan an. Kritiker sollen mundtot gemacht werden, unpassende Berichte werden als "Fake News" bezeichnet. Die Pressefreiheit ist in Gefahr.

Jeden Morgen ließ sich der inzwischen verstorbene Premierminister Yitzak Schamir von seiner Sekretärin Nurit Romano zuerst die linksliberalen Zeitungen bringen, die seine größten Gegner waren. Erst danach widmete er sich den rechts-konservativen Gazetten, welche zu seinen größten Unterstützern gehörten. Aufgewachsen in einer Welt voller ideologischer Spannungen, hatte er Kritiker und Befürworter. "Er ärgerte sich zwar immer, wenn er persönlich oder unfair angegriffen wurde", erzählt Nurit. "Doch er betrachtete die Medien nie als seine Feinde."

Schamir war von seinen politischen Vorstellungen überzeugt. Als ehemaliger Anführer der Untergrundorganisation Lechi, die vor der Staatsgründung die britische Besatzungsmacht Palästinas terrorisierte, hatte er vermutlich größere Bedrohungen überstanden, als sich über Artikel oder Kommentare in den Zeitungen zu ärgern. "Er pflegte einen bescheidenden und ehrlichen Lebensstil", sagt seine ehemalige Sekretärin, "sodass sich die Medien ausschließlich auf sein politisches Handeln fokussierten".

Dies steht im krassen Gegensatz zum Vorgehen des aktuellen israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu. Er führt einen regelrechten Kreuzzug gegen die Medien und ehrlich ist sein Lebensstil möglicherweise nicht. Die polizeilichen Ermittlungen gegen ihn legen nahe: Er hat keine weiße Weste. Es geht um Betrug, Untreue und Bestechlichkeit. Die Last des Beweismaterials in den Ermittlungen hätte in anderen westlich-demokratischen Staaten ausgereicht, Top-Politiker zum Rücktritt zu bewegen.

Netanjahu sieht sich als Opfer

Netanjahu jedoch hat bereits viele Skandale überlebt. Die Affäre um den geplanten Kauf deutscher U-Boote etwa, in der gegen seinen Anwalt David Schimron ermittelt wird. Doch anstatt Reue zu zeigen und Stellung beziehen, beschuldigt der Premier seine Kritiker, die Ermittler und vor allem die Medien und spricht von "Fake News". Er sieht die Vorwürfe als Hexenjagd feindseliger Medien gegen ihn und seine Familie und bestreitet alle Vorwürfe. Wie seine rechtskonservativen Kollegen in Ungarn, Russland und den USA brandmarkt er jede Kritik als links und sieht sich im Krieg mit abwechselnden Feinden von innen wie dem Obersten Gerichtshof, den Eliten und vor allem der Presse.

Seit seiner Wahl im Jahre 2009 versuchte Netanjahu, die israelischen Medien so umzustrukturieren, wie es auch der russische Präsident Wladimir Putin oder der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan in ihren Ländern taten. So finanzierte 2007 der US-amerikanische Milliardär Sheldon Adelson, ein Unterstützer Netanjahus, die kostenlose Zeitung "Israel Hayom", die nur Gutes über die israelische Regierung in Jerusalem zu berichten weiß und innerhalb kürzester Zeit zum auflagenstärksten Blatt des Landes aufstieg.

Netanjahu, bis 2017 auch Kommunikationsminister, ermutigte den russischen Oligarchen David Dawidowitsch zum Kauf des Wirtschaftszeitung "Globes". Der Höhepunkt seiner Machenschaften aber war der Versuch, einen Deal mit Arnon Moses einzufädeln, dem Verleger der regierungskritischen "Yedioth Achronot". Für eine positive Berichterstattung wollte der Ministerpräsident den Hauptkonkurrenten von "Israel Hayom" schwächen.

"Noch mehr Kontrolle über die Medien gewinnen"

Netanjahu privilegierte auch einen befreundeten Tycoon der Branche, Shaul Elovitch, sein Imperium im Kommunikationswesen, zu dem das Nachrichtenportal "Walla" gehört, zu erweitern und zu konsolidieren. Weiter ermutigte er den israelischen Hollywood-Produzenten Arnon Milchan, in den TV-Sender Channel 2 zu investieren. Er wollte eine Art "Israel-Hayom"-Kanal und die Spaltung des Senders. "Erst will er unseren Kanal zerstören und danach Channel 10", schimpfte Avi Weiss, Nachrichtenchef von Channel 2, in einem Interview mit der Zeitung "Haaretz". "Wenn ihm Wettbewerb so wichtig ist, warum zerstört er dann den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? All das Gerede von Pluralismus und Programmvielfalt zielt nur darauf ab, seine wahren Motive zu verschleiern, nämlich noch mehr Kontrolle über die Medien zu gewinnen."

Ein Gradmesser für den Zustand der israelischen Pressefreiheit ist auch, dass Freedom House, eine US-amerikanische NGO, Israels Journalismus jüngst als nur noch teilweise frei einstufte. Unter Berufung auf das Verhalten des Premierministers stellte die NGO fest, dass die Möglichkeiten zur freien Berichterstattung in Israel zurückgingen. In der Vergangenheit hatte sich der Staat stets durch einen lebendigen und pluralistischen Mediensektor ausgezeichnet.

"Demokratie erfordert, dass die Öffentlichkeit ihre Informationen aus verschiedenen Quellen erhält", sagt die einstige Sekretärin des Premiers, Nurit Romano. "Dort wird journalistische Unabhängigkeit garantiert, um sie vor einem potenziellen Informationskartell zu schützen, das von Wirtschaftsmagnaten verwaltet wird, die Inhalte diktieren und so den öffentlichen Diskurs kontrollieren wollen."

Obwohl sie politisch konservativ ist, schämt sie sich für die jetzige Regierung. "Die einzige Konstante ist Netanjahus Drang, Israel ein russisches oder venezolanisches Medienmodell aufzuzwingen, in dem sich Oligarchen bereitwillig der Regierung als Gegenleistung für umfangreiche finanzielle Belohnungen unterwerfen."

Nach israelischem Gesetz kann Netanjahu bis zu seiner gerichtlichen Verurteilung weiter im Amt bleiben. Und so wird der Mann, den viele als Totengräber der israelischen Demokratie sehen, noch einige Zeit die Regierungsgeschäfte des jüdischen Staates anführen.

Quelle: ntv.de

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