Aus Strafkolonie abtransportiert Wohin hat Putin Kreml-Gegner Nawalny verschleppt?
14.06.2022, 15:49 Uhr
Im Mai wurde Nawalny zur Berufungsanhörung zugeschaltet.
(Foto: IMAGO/SNA)
Unterstützer Alexej Nawalnys berichten, dass der Kreml-Gegner aus seinem Gefängnis zu einem unbekannten Ort ohne Unterweisung seiner Anwälte abtransportiert wird. Seine Sprecherin fürchtet ein härteres Straflager - und dass Nawalny nun allein in einem System ist, "das bereits versucht hat, ihn zu töten".
Der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist aus dem Gefängnis an einen unbekannten Ort verlegt worden. Das teilen zwei seiner Unterstützer übereinstimmend mit. Sowohl der Büroleiter des russischen Oppositionellen Leonid Wolkow als auch die Schriftstellerin und Sprecherin Nawalnys, Kira Jarmysch, berichteten auf Telegram und auf Twitter über die Aktion der russischen Behörden.
"Alexej Nawalny wurde aus der Strafkolonie Nr. 2 abgeholt", schrieb Jarmysch auf Twitter in einer Reihe von Tweets auf Russisch und Englisch. "Sein Anwalt, der ihn aufsuchen wollte, wurde bis 14 Uhr am Tor festgehalten und erhielt dann die Auskunft: 'Es gibt keinen solchen Verurteilten.'" In einer Erklärung auf Telegram sagte Wolkow: "Wo Alexej jetzt ist und in welche Kolonie er gebracht wird, wissen wir nicht."
Laut Jarmysch wurden Nawalnys Anwälte und Verwandte nicht im Voraus über seine Überstellung informiert. "Es wurde gemunkelt, dass er in die Hochsicherheits-Strafkolonie IK-6 Melechowo verlegt werden sollte, aber ob und wann er dorthin gebracht wird, ist noch unklar", schrieb die Sprecherin weiter. Nawalnys bisherige Strafkolonie IK-2 liegt knapp 100 Kilometer von Moskau entfernt und gilt als besonders hart. Nach Angaben des gemeinnützigen Projekts dekoder.org gibt es Berichte über "systematische Folter und sexuelle Gewalt in der Strafkolonie IK-6 in Melechowo".
"System, das versucht hat, ihn zu töten"
Die Unterstützer des Oppositionellen fürchten nicht nur die möglicherweise noch bedrohlichere Art der Inhaftierung und die wahrscheinlich noch strengeren Haftbedingungen. "Die ganze Zeit über wissen wir nicht, wo Alexej ist, und er wird mit einem System allein gelassen, das bereits versucht hat, ihn zu töten", erklärte Jarmysch. Die Hauptaufgabe bestünde nun darin, Nawalny so schnell wie möglich zu finden.
Der Abtransport kommt allerdings nicht komplett überraschend. Im März hatte ein Gericht Nawalny zu neun Jahren Straflager verurteilt, weil er Spendengelder in Höhe von mehreren Millionen Euro, die an seine politische Organisation gezahlt wurden, für persönliche Zwecke genutzt haben soll. Als Nawalnys Berufung im Mai abgelehnt worden war und die Strafe so bestätigt wurde, ging damit auch eine mögliche Überstellung in ein noch härteres Gefängnis einher. Ende Mai hatte der Kreml-Kritiker nach eigenen Angaben noch eine zusätzliche Anklage der russischen Justiz zugestellt bekommen, dabei soll es um Extremismus und ein Strafmaß von möglichen weiteren 15 Jahren Haft gegangen sein. Im Januar waren der Oppositionelle selbst sowie einige seiner Mitstreiter auf eine Liste der Behörden von "Terroristen und Extremisten" gesetzt worden.
Nawalny sitzt bereits eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Betrugs ab. Bisher endete jede Anklage gegen den bekanntesten Gegner von Kreml-Chef Wladimir Putin mit einem Schuldspruch. Nawalny machte Putin auch für einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok im August 2020 verantwortlich, den er nur knapp überlebte. Der russische Machthaber bestreitet, dass es ein Verbrechen gegeben habe.
Quelle: ntv.de, dbe