Politik

"Ameisenhaufen des Peronismus" Zehntausende Argentinier demonstrieren nach Mordversuch

"Fuerza Cristina", viel Kraft, hat sich diese Demonstrantin auf ihr Stirnband gestickt.

"Fuerza Cristina", viel Kraft, hat sich diese Demonstrantin auf ihr Stirnband gestickt.

(Foto: REUTERS)

Die Vizepräsidentin Argentiniens Kirchner will nach Hause, als ein Mann vor ihrem Gesicht eine Pistole abdrückt - sich aber kein Schuss löst. Empörung erfasst das Land, Zehntausende gehen zur Unterstützung der Linksperonistin auf die Straße.

Einen Tag nach dem Anschlagsversuch auf die argentinische Vizepräsidentin Cristina Kirchner sind Zehntausende ihrer Anhänger aus Solidarität mit der früheren Staatschefin auf die Straße gegangen. Mitglieder linker Parteien, Gewerkschaften und sozialer Bewegungen kamen am Freitagnachmittag zu der Kundgebung auf der Plaza de Mayo vor dem Regierungssitz in Buenos Aires zusammen. Zuvor hatte Präsident Alberto Fernández die Vizepräsidentin zu Hause besucht. Auch in anderen Städten des südamerikanischen Landes demonstrierten ihre Unterstützer.

"Angesichts des Mordversuchs gegen die wichtigste Politikerin des Landes, kann niemand, der die Republik verteidigt, schweigen oder seine ideologischen Differenzen über die einmütige Ablehnung stellen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die die Präsidentin des Schauspielerverbands, Alejandra Darín, verlas. "Seit Jahren wiederholt ein kleiner Zirkel von Politikern und Medien einen Diskurs des Hasses, der Verleumdung, der Stigmatisierung und der Kriminalisierung jedes volksnahen Politikers oder Anhängers des Peronismus."

Bei einer Kundgebung auf dem Plaza de Mayo vor dem Regierungspalast versammelten sich Zehntausende Argentinier.

Bei einer Kundgebung auf dem Plaza de Mayo vor dem Regierungspalast versammelten sich Zehntausende Argentinier.

(Foto: REUTERS)

Am Vorabend war die ehemalige Staatschefin nach Regierungsangaben nur knapp einem Attentat entgangen. Als Kirchner vor ihrer Wohnung im eleganten Stadtteil Recoleta in Buenos Aires ihre Anhänger begrüßte, richtete ein Mann aus kürzester Entfernung eine Waffe auf sie. Zeugenaussagen zufolge drückte er mindestens einmal ab, löste aber keinen Schuss aus. Daraufhin wurde er von Kirchners Anhängern niedergerungen und von der Polizei festgenommen. Der Attentäter soll ein Neonazi sein. Präsident Alberto Fernández sprach vom schwerwiegendsten politischen Vorfall seit dem Ende der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 in Argentinien. Er ordnete einen arbeitsfreien Tag an, um gegen die Gewalt protestieren zu können.

Vizepräsidentin Kirchner gilt wegen ihrer Popularität und früheren Präsidentschaft bei vielen als entscheidender Kopf der argentinischen Regierung. Zahlreiche Minister gehören innerhalb der peronistischen Koalition "Frente de Todos" zu ihrem Lager. Die 69-Jährige wird von ihren Anhängern fast religiös verehrt, von ihren Gegnern gehasst. In einem Korruptionsverfahren forderte die Staatsanwaltschaft Ende August zwölf Jahre Haft für Kirchner. Daraufhin besetzten ihre Tausende Anhänger die Straßen um ihre Wohnung, es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Umstrittener Polizeieinsatz gegen Unterstützer

Der Attentatsversuch ist nun ein weiterer negativer Höhepunkt des öffentlich ausgetragenen juristischen Konfliktes um die Vizepräsidentin. Kirchner soll während ihrer Präsidentschaft einem Verbündeten eine Vielzahl staatlicher Bauaufträge zugeschanzt haben. Nach der Forderung der Staatsanwaltschaft machten sich Tag für Tag viele Tausende Menschen zu ihrem Wohnort auf.

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Die Polizei der Stadt, die von der Opposition regiert wird, ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Kirchners Unterstützer vor, der Sohn der Vizepräsidentin wurde von der Polizei in ein Handgemenge verwickelt und beschimpft. Die Anwohner hätten sich vom Lärm und "parrilladas", dem Grillen auf offener Straße gestört gefühlt, begründete die Polizei ihren Einsatz. Insbesondere unter einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen, linken und feministischen Bewegungen ist Kirchner wegen ihres Fokus auf Sozialpolitik eine Ikone. Die Forderung der Staatsanwaltschaft sowie das Vorgehen der Polizei in ihrem eleganten Wohnviertel waren deshalb hochsymbolisch.

Eine Senatorin der Regierungskoalition sagte nach dem Skandal um das Vorgehen der Polizei: "Sie haben in den Ameisenhaufen des Peronismus getreten." Manche Oppositionellen wittern hinter dem Attentatsversuch eine Inszenierung, um weitere Unterstützung für Kirchner und die politisch geschwächte peronistische Regierung zu mobilisieren. Argentinien kämpft gegen eine hohe Inflation, die Zukunftsängste in der Bevölkerung sind groß.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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