Anwalt im Interview "Zustand von Prinzessin Basmah dramatisch verschlechtert"
11.02.2022, 13:13 Uhr
Prinzessin Basmah darf sich zwar frei in Saudi-Arabien bewegen, aber nicht ausreisen - auch nicht zu ihrem Arzt in Genf (Archivbild).
(Foto: Chatham House)
Seit über 30 Jahren ist Prinzessin Basmah von Saudi-Arabien als Aktivistin tätig. Sie forderte als eine der wenigen Mitglieder der saudischen Königsfamilie Reformen in ihrem Land und Rechte für Frauen. Im März 2019 wurde sie in Saudi-Arabien entführt und in einem Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt - eine offizielle Anklage oder gar ein Verfahren gab es nie. Vor einem Monat: die Freilassung. Doch ihr Gesundheitszustand habe sich mittlerweile dramatisch verschlechtert, sagt ihr Anwalt Henri Estramant in einem exklusiven Interview mit ntv.de. Die Prinzessin brauche dringend eine Behandlung im Ausland, ausreisen darf sie aber nicht.
ntv.de: Vor einem Monat ist Prinzessin Bashmah bint Saud freigelassen worden. Wie ist derzeit ihr Gesundheitszustand?
Henri Estramant: Ihr Gesundheitszustand hatte sich schon in der Haft dramatisch verschlechtert. Mittlerweile hat sie zehn Kilogramm an Gewicht verloren. Das war auch einer der Gründe dafür, dass sie freigelassen wurde. Ich kenne die Prinzessin schon seit Jahren und sie ist eigentlich eine sehr elegante und hübsche Dame, aber als ich mit ihr vor kurzem ein Video-Gespräch geführt habe, da war sie fast nicht wiederzuerkennen. Wir sind natürlich froh, dass die Prinzessin und ihre Tochter jetzt frei sind, aber sie befinden sich immer noch in einem großen Gefängnis in Saudi-Arabien.
Was sagt die saudische Königsfamilie?
Die saudische Regierung hat über die Vereinten Nationen verlauten lassen, dass die Prinzessin kriminell angeklagt wurde. Aber das war gar nicht der Fall. Sie wurde nie vor ein Gericht gestellt und nie angeklagt. Es gab keinen Prozess oder Zugang zu rechtlicher Hilfe. Sie wurde einfach in einem Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt, in dem eigentlich nur die schlimmsten Verbrecher sitzen. Das zeigt, wie Frauen in Saudi-Arabien behandelt werden. Denn die Männer aus der Königsfamilie, denen Straftaten im Zusammenhang mit Korruption vorgeworfen worden waren, konnten ihre Haftstrafen in Luxushotels verbringen.
Gibt es mittlerweile mehr Hinweise auf eine Misshandlung der Prinzessin in der Haft?
Ja, es gibt Hinweise. Aber in meinem Gespräch mit ihr habe ich mich bei diesen Fragen zurückgehalten, weil sie noch überwacht wird. Vor allem bemüht sich die Prinzessin nun um die Versöhnung innerhalb ihres Hauses und darum, ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Sie hofft darauf, doch noch eines Tages ihr Land endlich offiziell vertreten zu dürfen, und zwar nachdem der aktuelle Kronprinz mehr Raum für Frauen im öffentlichen Leben geschaffen hat.
Aber könnte die Prinzessin denn gerade das Land verlassen?
Nein, sie darf sich zwar frei bewegen im Land, aber nicht ausreisen. Die Prinzessin wurde drei Wochen nach ihrer Freilassung darüber benachrichtigt, dass sie das Land nicht verlassen darf.
Dabei bräuchte sie wahrscheinlich dringend eine medizinische Behandlung außerhalb Saudi-Arabiens?
Sie möchte in die Schweiz reisen, um sich dort behandeln zu lassen. Sie würde es sogar akzeptieren, ihre Kinder in Saudi-Arabien zurückzulassen, um keine Schwierigkeiten zu bereiten. Obwohl ihr das als Mutter unglaublich schwerfallen würde. Gerade will die Prinzessin einfach nur ihre Gesundheit zurückerlangen, und dafür braucht sie eine Behandlung in der Schweiz. Das ist übrigens für die Leute aus der Region sehr üblich und sie wird seit 2011 von einem Facharzt in Genf behandelt. Es gibt derzeit keine Experten für die Crohn-Krankheit, unter der sie leidet, in ihrem Heimatland.
Gibt es Chancen auf so eine Ausreise?
Wir versuchen das. Sie hat sich nun an den König gewandt und nach einer besonderen Genehmigung gefragt. Sie wäre sogar bereit dazu, zu akzeptieren, dass sie begleitet würde von Sicherheitsleuten aus Saudi-Arabien, sollte der Verdacht einer Flucht bestehen. Zuletzt setzten sie sich zwei prominente EU-Abgeordnete, Eva Kaili und Maria Arena, für ihre dringende ärztliche Behandlung ein.
Mit Henri Estramant sprach Philipp Sandmann
Quelle: ntv.de