Maaßen zu Sarrazin machen AKKs Lernkurve zeigt nach unten
18.08.2019, 10:31 Uhr
Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich und ihrer Partei mit ihrer Äußerung über den Parteikollegen Maaßen eher keinen Gefallen getan.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die CDU-Vorsitzende grenzt sich vom CDU-Rechten Hans-Georg Maaßen ab. Das ist nachvollziehbar. Aber der Zeitpunkt ist fatal, erst recht ihr unglaubwürdiges Zurückrudern. Den Wahlkämpfern ihrer Partei im Osten erweist sie einen Bärendienst.
Die rechtsdrehende Werte-Union von CDU und CSU ist eine Gruppierung, die sich selbst als "konservativer Flügel der Union" bezeichnet, von der Mitgliederzahl her aber eher ein Flügelchen ist. Allerdings hat sie mit dem früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen einen bundesweit überaus bekannten Protagonisten. Ihm wird AfD-Nähe unterstellt, was angesichts diverser Äußerungen aus seinem Mund oder bei Twitter leichtfällt.
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer distanzierte sich nun öffentlich von ihrem Parteikollegen. "Es gibt aus gutem Grund hohe Hürden, jemanden aus einer Partei auszuschließen. Aber ich sehe bei Herrn Maaßen keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet", sagte sie der Funke-Mediengruppe. "Es ist das gute Recht jedes Mitglieds, seine Meinung zu äußern. Der Versuch aber, eine gänzlich andere Partei zu schaffen, stößt auf meinen allerhärtesten Widerstand."
Das konnte nur als Rausschmissdrohung gedeutet werden. Kramp-Karrenbauers Abgrenzung zu AfD-nahen Positionen der Werteunion ist durchaus nachvollziehbar, weil sie keine Lust hat, sich von Maaßen und Co. treiben zu lassen. Allerdings: Die Verteidigungsministerin schoss hier mit Kanonen auf Spatzen. Zudem ist das Pulver sinnlos verbraucht, richtet es sich doch gegen die Falschen. Maaßen und seine Anhänger haben schon zahlenmäßig nicht die Kraft, die CDU "gänzlich" zu verändern. Sie sind aber jene Kräfte ihrer Partei, die Rechtskonservative als CDU-Wähler bei der Stange halten, die sonst auch noch zur AfD abwandern würden.
Thema "Maaßen" zwei Wochen vor Sachsen-Wahl
Mit der verbalen und medialen Aufwertung Maaßens durch den mehr oder weniger verkappt formulierten Wunsch eines Rausschmisses kreiert die Christdemokratin einen Thilo Sarrazin der CDU. Das ist in vielerlei Hinsicht strategisch dumm. Unsinn ist auch, das Thema "Maaßen" zwei Wochen vor der Sachsen-Wahl aus dem Nichts auf die politische Tagesordnung zu setzen, so dass sich CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak gezwungen sah, eine "Klarstellung" zu twittern: alles nicht so gemeint.
Stunden später sagte Kramp-Karrenbauer: "Ich habe weder im Interview noch an anderer Stelle ein Parteiausschlussverfahren gefordert." Sie hob die Binse hervor, dass in der CDU "jeder seine eigene Meinung haben" könne. Wichtig sei, dass man Diskussionen "in einer Haltung, in einem Stil gegenseitigen Respektes miteinander austrägt". Und ganz zufällig wurde am Abend bekanntgegeben, dass Soldaten in Uniform ab 1. Januar kostenlos Bahn fahren dürften. Wie gut es doch ist, ein Staatsunternehmen für PR-Zwecke in der Hinterhand zu haben, und Kramp-Karrenbauer, immerhin auch Verteidigungsministerin, gut dastehen zu lassen.
Maaßen ist ein Typ mit der Ausstrahlung eines Pförtners im Ruhestand. Miesen Stil kann man ihm wahrlich nicht ankreiden, so dass man ihn an Gepflogenheiten der zivilisierten Welt erinnern müsste. Die Werteunion kämpft öffentlich nicht unter der Gürtellinie und begrüßte ausdrücklich den Wechsel der CDU-Chefin ins Kabinett. Das Zurückrudern Kramp-Karrenbauers, indem sie Textexegese ihrer eigenen Aussagen betreibt - na klar, sie hat keinen Parteiausschluss gefordert, aber Maaßen damit gedroht -, ist lächerlich. Es toppt noch ihr Verhalten im Streit mit dem Youtuber Rezo, als ihre deplatzierten Äußerungen über "Meinungsmache" im Internet als Forderung nach Zensur missinterpretiert worden sind. Dass sie das nie und nimmer meinte, ist klar. Dass es so verstanden wurde, war ihre eigene Dummheit.
Eher keine Versöhnung der Flügel
Mit der Abgrenzung zu Maaßen und der Werteunion rückt die CDU-Vorsitzende von ihrem Kurs ab, die Flügel in der Union zu versöhnen. In ihrer Bewerbungsrede klang das so: Die Christdemokraten würden um die an die AfD verlorenen "Stimmen wieder kämpfen. Wir werden das aber nicht mit Schaum vor dem Mund und nicht mit der moralischen Keule tun, sondern mit den richtigen Fragen, die wir stellen". Das Protokoll der Rede vermerkt hier: "Anhaltender Beifall."
Doch in der ostdeutschen CDU, die vor Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg steht, empfand man Kramp-Karrenbauers Bemerkungen zu Maaßen genau als das Gegenteil der Ankündigung ihrer Rede. In Sachsen ist Maaßen als CDU-Wahlkämpfer unterwegs und bemüht sich, AfD-Wähler, die ihn vergöttern, zurück zu den Christdemokraten zu holen. Das hat Kramp-Karrenbauer nun völlig sinnlos torpediert. Sie treibt damit Wähler weg von der CDU zur AfD. Kein Wunder, dass Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von einem "falschen Weg" sprach und Thüringens CDU-Chef Mike Mohring die Aussagen Kramp-Karrenbauers als nicht "sonderlich hilfreich" qualifizierte.
Solche Zurückweisungen aus den eigenen Reihen sind ein Armutszeugnis für eine Parteivorsitzende. Es zeigt: Kramp-Karrenbauer hat einen ausgeprägten Hang zum Dilettantismus. Sie ist Lichtjahre von den strategischen Fähigkeiten einer Angela Merkel entfernt. Und ihre Lernkurve zeigt kein bisschen nach oben.
Quelle: ntv.de