Showdown beim DeutschlandtagJunge Union grillt Merz - der bleibt in Rentenfrage hart
Volker Petersen
Selten liegt bei einem Deutschlandtag der Jungen Union so viel Spannung in der Luft wie bei diesem. Die Parteijugend von CDU und CSU will das Rentenpaket nicht mittragen. Als Merz kommt, machen sie ihrem Unmut Luft.
Wie sich die Zeiten ändern: Vor einem Jahr war der Deutschlandtag der Jungen Union (JU) für Friedrich Merz noch ein absoluter Feelgood-Termin. Die Delegierten feierten ihn in Halle an der Saale, eskalierten geradezu, um ihm Rückenwind für den Wahlkampf zu verschaffen. An diesem Samstag fiel der Empfang dagegen - verglichen mit dem, was damals abging - ziemlich frostig aus.
Allenfalls höflichen Applaus bekam der Bundeskanzler, als er begleitet von JU-Chef Johannes Winkel die Halle im Europapark Rust durchschritt, dem Vergnügungspark an der deutsch-französischen Grenze, zwischen Freiburg und Straßburg. Das war keine Überraschung, denn aus dem Rückenwind von vor einem Jahr ist Gegenwind geworden. Die Junge Union und ihr verlängerter Arm im Bundestag, die 18-köpfige Junge Gruppe, ist sauer über das geplante Rentenpaket von Union und SPD und will ihm nicht zustimmen.
Streitpunkt: Was gilt ab 2032?
Zähneknirschend trägt sie noch mit, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent festzuschreiben, so wie es der Gesetzentwurf vorsieht. Doch danach soll es ihrer Forderung nach gleich wieder auf 47 Prozent absinken. Der Gesetzentwurf sieht dagegen vor, das Rentenniveau von 2032 an von 48 Prozent absinken zu lassen. Das ist keineswegs eine Lappalie, sondern bedeutet einen Unterschied von an die 120 Milliarden Euro bis 2040.
Dieser Streit könnte weit über die Union hinaus Konsequenzen haben. Lehnen die 18 Abgeordneten das Rentenpaket tatsächlich geschlossen ab, stürzt die schwarz-rote Koalition in eine Existenz-Krise - mit dem Risiko des Total-Bruchs. Für die SPD gehört das Rentenpaket, insbesondere die Haltelinie, zum Allerheiligsten.
So versuchte Merz den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen - mit einer Mischung aus Verständnis, Vertrösten und Warnungen. Von der Jungen Union forderte er konstruktive Vorschläge, und nicht nur zu sagen, wie es nicht gehe. Zugleich stellte er die Zahlen zu den Mehrkosten infrage, die allerdings auch im Gesetzentwurf hinterlegt sind. "Ich sage Ihnen voraus, diese Berechnungen werden sich als unzutreffend erweisen, weil wir Reformen machen, die es vermeiden", beschwichtigte Merz die Jungunionisten.
Damit meinte er die Rentenkommission, die demnächst ihre Arbeit aufnehmen soll. Die solle die Altersvorsorge auf ein neues Fundament stellen und insbesondere die beiden anderen Säulen neben der gesetzlichen Rente, die private und die betriebliche Altersvorsorge stärken.
Klingbeil spricht vermeintliches Machtwort
"Worauf beziehen sich diese 48 Prozent eigentlich?", fragte Merz. Im Koalitionsvertrag sei vereinbart, eine neue Kenngröße für ein Gesamtversorgungsniveau einzuführen. Merz sagte das nicht, aber das könnte bedeuten, dass das Rentenniveau sinkt, während private und betriebliche Altersfürsorge steigen. Umsteuern könne Deutschland in der Zukunft, wenn die Volkswirtschaft wieder wachse.
Die Reaktionen der Delegierten waren verhalten. Reihenweise stellten sie kritische Fragen zum Rentenpaket - was aus seiner Sicht dafür spreche, ob er es mit seiner Glaubwürdigkeit vereinbaren könne, ob er die SPD nicht mal von seiner Richtlinienkompetenz als Bundeskanzler in Kenntnis setzen könnte.
Letztere stellte ein Delegierter, nachdem SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil auf einem SPD-Landesparteitag in Baden-Württemberg ein angebliches Machtwort zum Rentenpaket gesprochen habe. "Ich sage Euch in aller Klarheit: An diesem Gesetz wird nichts mehr geändert", sagte er in Ulm. Merz ging darauf nicht weiter ein, obwohl ihn ein Delegierter auf die Aussage ansprach.
Bei der Jungen Union war überdeutlich, dass sie das Gegenteil will. Wer eine Frage stellte, bekam rasenden Applaus, bei Merz klatschten dagegen nur wenige. "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die These stimmt, die Zahlen sind eigentlich falsch", sagte Winkel am Ende der Aussprache und wirkte wenig überzeugt vom CDU-Chef.
Reddig: "Wir werden in dieser Frage stehen"
Den Jubel, den Merz nicht bekam, hatte am Freitagabend der JU-Vorsitzende Winkel eingeheimst: "Dieses Rentenpaket mit den Folgekosten von 120 Milliarden Euro über den Koalitionsvertrag hinaus, das darf auf keinen Fall so kommen", rief er am Freitagabend in die Halle und wurde dafür gefeiert. Auch der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig, sagte: "Ihr könnt euch darauf verlassen, wir werden in dieser Frage stehen." Harte Worte, die er unmittelbar vor der Ankunft von Merz sprach. Dass seine Rede so in die Tagesordnung gelegt wurde, war sicher kein Zufall.
Merz stellte der Kritik an den in der Tat immensen Kosten der Reform noch etwas anderes entgegen. Zunächst einmal warb er um Verständnis für den Koalitionspartner. "Ich bin hier nun nicht der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands", sagte er. Aber die habe zugestimmt, große Teile der Altersvorsorge auf Kapitaldeckung umzustellen und betriebliche und private Altersvorsorge stärker zu gewichten, sagte er.
"Wir haben einen Koalitionspartner, den wir mitnehmen müssen", sagte er. Zugleich warnte er vor einem Unterbietungswettbewerb beim Rentenniveau, nach dem Motto: "Wer bietet weniger?" Ob irgendwer glaube, so gewinne man Wahlen, fragte er in die Runde. "Das kann wohl nicht euer Ernst sein", sagte er.
Auch wenn Merz sich mehrfach für die Diskussion bedankte und Verständnis für Kritik äußerte - er machte deutlich, nicht von der Rentenreform abrücken zu wollen. Die Junge Union machte unmissverständlich deutlich, weiter dagegen zu sein. Die überdeutlichen Ansagen von Winkel und Reddig lassen daran keinen Zweifel. Die Renten-Rebellion geht weiter.