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Münchener Sicherheitskonferenz Die wichtigsten Antworten fehlen leider

Die Bundesregierung läuft Gefahr, die Unterstützung der Bevölkerung für ihre Ukraine-Politik zu verlieren.

Die Bundesregierung läuft Gefahr, die Unterstützung der Bevölkerung für ihre Ukraine-Politik zu verlieren.

(Foto: REUTERS)

Die Bundesregierung drückt sich um die Beschreibung ihrer Ziele im Ukraine-Krieg. Die hat sie und sollte sie den Bürgern erklären.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde sehr viel geredet, aber auf die beiden mit Abstand wichtigsten Fragen gab es keine Antwort. Erstens: Wie lange geht der Krieg in der Ukraine noch? Zweitens: An welchem Punkt soll er aus Sicht der Bundesregierung enden, was soll mindestens erreicht sein?

Die erste Frage kann niemand mit Gewissheit beantworten, weil niemand weiß, was Russlands Staatschef Wladimir Putin tun wird - oder ob er plötzlich in der Versenkung verschwindet und ein anderer die Macht in Moskau übernimmt. Der Kriegsverlauf hat Experten und Spitzenpolitiker von Anfang immer wieder überrascht, nicht selten sogar düpiert. Man ist also zu Recht vorsichtiger geworden mit Prognosen. So war es auch in München bei der Sicherheitskonferenz, dem großen Jahrestreffen der Militärs, Politiker und Experten.

Die zweite Frage liegt anders. Es geht nicht darum, den Ukrainern etwas vorzuschreiben, schon gar nicht, dass sie aufhören sollen zu kämpfen, wie sich das Russland-Trolle und Radikal-Pazifisten gleichermaßen wünschen. Es geht darum, dass eine Bundesregierung die deutschen Interessen zu formulieren hat, denn die stehen seit dem ersten Tag in der Ukraine auf dem Spiel, erst recht aber, seitdem Deutschland schwere Waffen zu liefern begonnen hat.

Zu kurz gedacht und nicht ehrlich

Was also liegt im Interesse Deutschlands? Welches Ende, wo und unter welchen Bedingungen, sollte der Krieg nehmen? Was bedeutet es konkret und praktisch, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz sagt, die Ukraine dürfe "nicht verlieren", und der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius sagt, die Ukraine müsse "gewinnen"? Ist das Wortklauberei, oder besteht da ein nennenswerter Unterschied? Man wüsste es gern, aber die Regierung schweigt dazu, am lautesten der Bundeskanzler selbst. Mal wieder. Scholz ist in München der Frage öffentlich ausgewichen, er sprach von den Vorbereitungen für "einen langen Krieg". Das ist denkbar vage und wird auf Dauer gewiss nicht eine Mehrheit der Deutschen hinter der Unterstützung der Ukraine halten.

Die Frage nach dem Ende des Krieges und der Kriegsführung bis dahin könne nur die Ukraine allein beantworten, erklärten auch nahezu alle Offiziellen in München. Aber das ist zu kurz gedacht und nicht wirklich ehrlich. Wie es aussieht, haben die EU-Staaten und die USA der Ukraine von Anfang an bestimmte Auflagen bei der Verwendung der gelieferten Waffen gemacht: nämlich sie nicht auf anerkannt russischem Territorium einzusetzen. Die Verbündeten mischen sich also sehr wohl ein, um ihre Interessen zu wahren.

Mit vollem Recht besteht die Ukraine darauf, dass Russland sich vollständig von ihrem Territorium zurückzieht oder von dort militärisch verdrängt wird. Sie hat alles Recht dazu und das Völkerrecht obendrauf. Das ist mit "Sieg" gemeint, daran ließen die ukrainischen Vertreter in München keinen Zweifel. Zweifel haben aber die europäischen Verbündeten, das war mit Händen zu greifen.

Regierung schuldet Bürgern eine Idee

Die Bundesregierung scheint keine klare Position zu haben. Man weiß nicht: Ist es die deutsche Position, dass sich Russland nur aus den Gebieten zurückziehen soll, die sie seit dem 24. Februar 2022 erobert haben - und dann verhandelt man? Sollen die Bezirke Luhansk und Donezk auch geräumt werden, die Russland völkerrechtswidrig angeschlossen hat? Soll die Ukraine auch die Krim zurückbekommen, die völkerrechtlich eindeutig zu ihr gehört? Und vor allem: Soll, das alles notfalls militärisch bewerkstelligt werden, auch mit deutschen Kampfpanzern und anhaltender Unterstützung aus Europa und den USA? Der ukrainische Präsident beantwortet alle diese Fragen mit einem klaren Ja, und vorher sei der Krieg nicht zu Ende. Diese Entschlossenheit kann man ihm und dem geschundenen Land nicht verdenken, das ist selbstverständlich.

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Wenn man dazu jedoch in der Bundesregierung herumfragt, auch bei ihren Vertretern in München, erfährt man: nichts oder nichts Eindeutiges. Das ist ein Fehler, der sich rächen wird. Praktisch jederzeit könnte sich die Lage so verändern, dass auch Deutschland öffentlich Farbe bekennen muss: Was billigt sie in der Ukraine - und was nicht?

Die Bundesregierung schuldet den Bürgern eine Idee davon, wie sie sich den Weg durch den Krieg und auch wieder hinaus vorstellt. Das kann man nicht beim ukrainischen Präsidenten allein abladen oder sich politisch hinter ihm verstecken.

Quelle: ntv.de

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