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Verspäteter Rücktritt Giffey hat die Peinlichkeit einfach ausgesessen

Franziska Giffey hält daran fest, die Dissertation "nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben" zu haben.

Franziska Giffey hält daran fest, die Dissertation "nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben" zu haben.

(Foto: picture alliance / Flashpic)

Blamiert hat sich bei der Untersuchung der Doktorarbeit von Franziska Giffey nicht nur die Politikerin, sondern auch die Freie Universität. Die eine korrigiert den Fehler, die andere nicht. Alles weitere entscheidet der Wähler.

In diesen Tagen werden in Deutschland Abiturprüfungen abgelegt. Eines wissen alle Schülerinnen und Schüler, die jetzt ihre letzten Klausuren schreiben oder geschrieben haben: Wer beim Mogeln erwischt wird, fällt durch.

So hätte es auch bei Franziska Giffey laufen sollen. Schon in ihrem ersten Gutachten von 2019 war das von der Freien Universität Berlin eingesetzte Gremium zu dem Schluss gekommen, dass 27 Textstellen ihrer Doktorarbeit "den Tatbestand der 'objektiven Täuschung' erfüllen" und dass an diesen Stellen "von einem bedingten Vorsatz ausgegangen werden kann". Den Doktortitel wollte das Gremium Giffey damals trotzdem nicht aberkennen. Stattdessen gab es für die Politikerin nur eine Rüge.

Trotzdem war das Ergebnis der Prüfung eine Peinlichkeit - für Giffey, für ihre Doktormutter, für die Freie Universität und das Otto-Suhr-Institut, an dem Giffey ihre Arbeit geschrieben hatte. Noch peinlicher war nur, dass sämtliche im Protokoll genannten Mitglieder des Kontrollgremiums mit der Doktormutter verbunden waren, was die milde Rüge erklären könnte.

Mit der anstehenden Aberkennung des Doktortitels versucht nun zumindest die Universität, ihre Blamage zu korrigieren. Giffey selbst dagegen hält an ihrer Darstellung fest, "dass ich meine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben habe" und dass sie es "bedauere", wenn ihr "Fehler unterlaufen" sein sollten. Auch ihren Abschied vom Amt der Bundesfamilienministerin sieht sie nicht als Schuldeingeständnis. Vielmehr geht es ihr um "Klarheit und Verbindlichkeit", wie sie in ihrer Rücktrittserklärung sagt. Das bezieht sich darauf, dass sie 2019 angekündigt hatte, nach Aberkennung des Titels als Ministerin zurückzutreten.

Ist nun also alles gut? Nicht so richtig. Es bleibt ein Skandal, dass Politikerinnen und Politiker es regelmäßig für einen kleinen Schnitzer halten, ihren Doktortitel durch Täuschung erlangt zu haben - allen voran 2011 der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der die Vorwürfe zunächst "abstrus" nannte. Giffeys Rücktritt zeigt deshalb keineswegs, dass sie "Rückgrat" hat, wie SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz meint, sondern allenfalls Stehvermögen. Aber auch Abiturienten, die beim Mogeln erwischt wurden, bekommen in der Regel zwar null Punkte, danach jedoch eine zweite Chance. In keinem Fall werden sie mit lebenslangem Berufsverbot belegt.

Das sollte auch für Giffey gelten. Dass sie weiterhin als Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin antritt, ist eine völlig legitime Entscheidung. Ebenso statthaft ist allerdings, dass die anderen Parteien ihr die peinlichen Fälschungen ihrer Doktorarbeit im Wahlkampf ausführlich vorhalten werden. Giffey wollte ihren Skandal mit Hilfe ihrer Doktormutter einfach aussitzen, was ihr beinahe gelungen wäre. Das kann man mit guten Gründen verwerflich finden und mit weniger guten Gründen taktisch geschickt. Aber alles Weitere sollen die Wählerinnen und Wähler entscheiden.

Quelle: ntv.de

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