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Hilft nur noch Zwang? Ja! Die Impfpflicht ist das Gebot der Stunde

Geimpft: eine G1-Regel für alle.

Geimpft: eine G1-Regel für alle.

(Foto: picture alliance / CHROMORANGE)

Eine Umfrage zeigt: Die Menschen haben besser als die Politik verstanden, dass es ohne Impfpflicht nicht mehr geht. Österreich geht jetzt diesen Weg bereits, weil das Land schon an einem noch schlimmeren Punkt als Deutschland angekommen ist. So lange sollten wir nicht warten.

Jetzt soll also die Impfpflicht für Pflegekräfte kommen. Das war einer der Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz mit der geschäftsführenden Bundesregierung am Donnerstag. Doch das ist viel zu kurz gesprungen. Wir brauchen in Sachen Corona eine allgemeine Impfpflicht, so wie das mittlerweile auch 64 Prozent der Deutschen im RTL/ntv-Trendbarometer gefordert haben.

Nun darf man das politische Handeln nicht allein von der Schwarmintelligenz der Bürger abhängig machen. Aber die Menschen haben offensichtlich stärker als die Politik in Bund und Ländern verstanden, dass jetzt nur eine Impfpflicht weiterhilft. Es ist traurig, dass sie für das Brechen der vierten Welle schon zu spät kommen würde. Aber sie würde uns durch die fünfte, sechste oder welche Corona-Welle auch immer helfen.

Eingriff wiegt weniger schwer als die Corona-Einschränkungen

Schon jetzt ist klar: Wir werden mit Covid-19 noch länger leben müssen. Der Virus verschwindet nicht. Eine intervallmäßige Überlastung des Gesundheitssystems, eine permanente Belastung der Wirtschaft, vor allem aber auch das Vermeiden von dauerhaften Einschränkungen für die jungen Menschen dieses Landes erreichen wir nur, wenn alle, die geimpft werden dürfen, auch geimpft sind. Und freiwillig kommt das nicht. Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stellte vor einigen Tagen selbst resigniert fest, dass eine bestimmte Gruppe von Impfgegnern durch keine Aufklärungskampagne dieser Welt erreichbar ist. Aber die ganze Gesellschaft muss unter dieser kleinen Gruppen leiden.

Impfpflicht? Das kann man auch anders sehen:

Unser Autor Christian Berger hält die Impfpflicht für dringend geboten, aber natürlich gibt es auch gute Argumente für eine gegensätzliche Position. Thomas Leidel hat in seinem Kommentar aufgeschrieben, warum er eine Impfpflicht für das völlig falsche Instrument hält. Lesen Sie den Gegenkommentar hier.

Natürlich ist die Impfpflicht ein Eingriff in die Grundrechte. Aber er wiegt weit weniger schwer als die Grundrechtseinschränkungen, über die wir jetzt schon wieder reden. Darauf hat der Medizinrechtler Alexander Ehlers schon im Sommer verwiesen. Die Impfpflicht sei mit dem Grundgesetz vereinbar, weil mit ihr Schaden von den Menschen und vom Staat abgewendet werde. Wenn der Staat schon in verfassungsrechtlich geschützte Rechte eingreifen müsse, dann müsse er das mildeste Mittel wählen. Das ist jetzt die Impfpflicht!

Die Verwandlung in Kühe fand nicht statt

Auch das Argument, man können die Impfpflicht nicht durchsetzen, zieht nicht. Den TÜV-Termin für mein Auto kann ich auch schwänzen. Es bleibt aber in der Regel nicht folgenlos. Außerdem gibt es für den Sinn und die Durchsetzung der Impfpflicht auch ein historisches Beispiel: die Pockenimpfung. 1871 starben bei einer Epidemie in Deutschland 180.000 Menschen. In der Folge wurde eine Impfpflicht verordnet und durchgesetzt. Noch in den 1970er-Jahren zogen Impfkommandos durch die deutschen Grundschulen und kein Kind wurde gefragt, ob es gegen die Pocken geimpft werden wollte. 1980 erklärte die WHO die Pocken für ausgerottet. Abertausende Menschenleben wurden durch diese Impfpflicht gerettet. Übrigens gab es auch im 19. Jahrhundert diffuse Ängste vor Impfungen. Menschen könnten sich zu Kühen verwandeln, war die große - und wie wir nun wissen: unberechtigte - Sorge.

Völlig daneben ist aber die Idee, nur bestimmte Berufsgruppen wie die Pflegekräfte zu impfen. Ausgerechnet die, die an vorderster Corona-Front kämpfen, werden zwangsgeimpft. Während die Impfverweigerer und Pandemietreiber im Rest des Landes "verschont" bleiben. Das ist - auch psychologisch - das völlig falsche Signal. Und wenn alle geimpft werden müssen, erübrigt sich auch die berechtige Sorge, dass impfunwillige Pflegekräfte den Job kündigen. "Ganz oder gar nicht", fordert deshalb auch völlig zurecht Intensivmediziner Uwe Janssens.

Österreich geht jetzt diesen Weg und setzt auf die Impfpflicht. Weil das Land in der Krise schon an einem noch schlimmeren Punkt wie Deutschland angekommen ist. Auf diese Zuspitzung dürfen wir nicht warten, sondern müssen sofort handeln. Die Menschen sind dazu längst bereit, nur die Politik zögert. Zum Schaden des Landes.

Quelle: ntv.de

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