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Die Selbstfindung der SPD Neue Partei verzweifelt gesucht

Ist als Krisenmanagerin gefragt: SPD-Chefin Nahles.

Ist als Krisenmanagerin gefragt: SPD-Chefin Nahles.

(Foto: picture alliance / Ralf Hirschbe)

Die SPD beschäftigt sich mit ihrer Wahlniederlage und will sich neu ausrichten. Parteichefin Nahles wird bald zeigen müssen, was das konkret bedeutet.

Aus PR-Sicht war dieser Montag eigentlich kein schlechter Tag für die SPD. Die Partei hat über eine Analyse zur Bundestagswahl beraten. Der von externen Experten erstellte Bericht wurde im SPD-Vorstand vorgestellt. Viele Medien berichten darüber. Schonungslos und ungeschminkt - das sind die prägenden Vokabeln. Sie sollen zeigen, dass es den Sozialdemokraten wirklich ernst ist. Soll ja niemand sagen, die Partei arbeite ihre Wahlniederlage nicht auf. Fehler einzusehen und darüber zu reden, ist natürlich gut. Das ist ein erster Schritt. Der Zweite, Besserung zu geloben, ist ziemlich banal. An Absichtserklärungen mangelt es seit der Bundestagswahl nicht. Mehr als acht Monate danach sollte die SPD zeigen, dass sie auch für den dritten, wichtigsten und schwierigsten Schritt bereit ist. Dafür muss sie endlich zeigen, in welche Richtung es gehen soll.

Die Wahlanalyse kommt zu verschiedenen Erkenntnissen: Die Kanzlerkandidaten-Kür und die Organisation des Wahlkampfes sind erneut chaotisch verlaufen. Die Parteizentrale hat mit schwierigen Strukturen zu kämpfen und ist wenig kampagnenfähig. Der SPD fehlt es an Teamwork, Haltung, Mut und guter Kommunikation. Zwischen Parteibasis und -führung wächst das Misstrauen. Die Studie ist interessant zu lesen, viele der Befunde sind richtig, das meiste ist allerdings nicht neu. In den vergangenen Jahren gab es keinen Mangel an kritischen Lagebeurteilungen. Nicht nur der Journalist Markus Feldenkirchen ("Die Schulz-Story") und der frühere Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ("Das Elend der Sozialdemokratie") setzten sich ausführlich mit den Defiziten der Partei auseinander. Wenn die neue SPD-Chefin Andrea Nahles nun verspricht, dass die Kandidatur des nächsten Kanzlerkandidaten "früher und geordneter" ablaufen werde, mutet das daher unfreiwillig komisch an. Das - und vieles andere - hat man einfach schon zu häufig gehört.

Viel alte, kaum neue SPD

Die SPD hat schon im Jahr 2007 Erneuerung als Ziel ausgerufen, viel passiert ist nicht. Seit der Bundestagswahl feiert der Begriff Renaissance. Erneuerung ist ein Signalwort, das Einsicht und Konsequenz demonstrieren soll. Es ist jedoch auch ein Versprechen, sowohl nach innen als auch nach außen. Was in diesem Fall gar nicht so einfach ist. Die SPD-Vorsitzende kann sich nicht in sechs Monaten hinstellen und versichern, dass die Erneuerung erfolgreich abgeschlossen ist. Die Bewertung wird die SPD anderen überlassen müssen. Die Partei befindet sich in einem schwierigen und objektiv schwer messbaren Prozess. Der braucht Zeit, die allerdings nur eingeschränkt zur Verfügung steht. In diesem Jahr sind zwei wichtige Landtagswahlen. Bei beiden drohen der SPD schmerzhafte Niederlagen. In Bayern liegt die Partei bei lausigen 13 Prozent, in Hessen hat sie kaum Chancen, den CDU-Ministerpräsidenten abzulösen.

Nahles muss sich an die Baustellen machen, an denen schon ihre Vorgänger gescheitert sind. Der Partei- und Fraktionschefin obliegt die Leitung des Großprojekts Erneuerung. Bisher ist davon jedoch wenig bis gar nichts zu sehen. Wenn es überhaupt mal so etwas wie eine Aufbruchsstimmung gab, ist sie verflogen. Für die SPD verlief der Start der Großen Koalition ernüchternd. Die Partei hadert mit der Russland-Politik des eigenen Außenministers, Nahles' Äußerungen über Flüchtlinge stoßen intern auf heftigen Widerstand, von Vizekanzler Olaf Scholz werden mehr eigene Akzente erwartet. In Umfragen fiel die Partei auf 18 Prozent. Viele GroKo-Kritiker sehen sich in der Ansicht bestätigt, dass es ein Fehler war, das Bündnis zu schließen. Der interne Frust hält an, die Selbstbeschäftigung ebenfalls. Alles wie immer irgendwie. Viel alte, kaum neue SPD.

Nahles muss diesem Eindruck schnell entgegenwirken, bevor er sich verfestigt. So langsam dürfte, sollte, ja, müsste es doch mal losgehen mit der Erneuerung. Die SPD darf nicht länger nur darüber reden, sie muss konkreter werden. Nahles muss unangenehme Entscheidungen treffen und neue mutige Wege gehen, um die Partei zu positionieren und zu profilieren. Sie muss zeigen, wie sie die SPD wieder zu einer aufregenden Partei machen will und warum die Sozialdemokraten nicht nur als Mehrheitsbeschaffer gebraucht werden. Andernfalls wird sie 2021 womöglich gar keinen Kanzlerkandidaten mehr brauchen.

Quelle: ntv.de

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