Kanzler sucht Befreiungsschlag Scholz der Macher, Merz der Miesmacher


Mit dem "Deutschland-Pakt" versucht Scholz einen großen Wurf.
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Der Kanzler reagiert auf die Krisenstimmung und verkündet einen Deutschland-Pakt. Die großen Worte sind zwar nicht mit neuen Ideen unterfüttert, haben aber ein Ziel: die Merz-Union nicht länger das Land schlechtreden zu lassen - und der AfD das Wasser abzugraben.
"Wumms", "Bazooka", "Zeitenwende", "Doppelwumms", "Konzertierte Aktion" und nun also der "Deutschland-Pakt": Olaf Scholz hat in der Generaldebatte im Bundestag mal wieder eine Überschrift gesetzt für seine Politik. In Zeiten drohender oder tatsächlicher Krisen ist man im Stab des Bundeskanzlers überzeugt von der Wirkmächtigkeit großer Ankündigungen. So auch an diesem Mittwoch, als der Regierungschef erkennbar zum großen Befreiungsschlag aus einer doppelten Krise ansetzte - Deutschlands vermeintlicher Wirtschaftskrise und dem miserablen Ansehen der Regierungskoalition. Doch sind Scholz' große Worte heikel, weil sein Aufbruchsignal diesmal nicht mit dem Versprechen von vielen Milliarden Euro für Wirtschaft und Bürger verbunden ist.
Die Probleme der Gegenwart geben eine abermalige Ausnahme von der Schuldenbremse nicht her. Der "Deutschland-Pakt" als Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen für Deutschlands Wirtschaftsmodell muss ohne gigantische Neuverschuldung auskommen. Um die Abwärtsspirale der allgemeinen Stimmungslage zu stoppen, bleiben Scholz nur die Ankündigung von Strukturreformen, der Verweis auf längst angepeilte Investitionen und die Kraft des besseren Arguments. Das ist auf den ersten Blick erschreckend wenig, könnte aber dennoch zielführend sein.
Auch die Kanzler-Partei ist besorgt
Keines der von Scholz aufgezählten Instrumente - Abbau der Bürokratie, Ausbau der Erneuerbaren, Zuwanderung von Arbeitskräften - kann eine schnelle Trend-Umkehr bewirken. So stellt sich sehr wohl die Frage, wie die deutsche Wirtschaft trotz offenkundiger Standortnachteile in den kommenden Monaten wettbewerbsfähig bleiben und zugleich den Umbau auf erneuerbare Energien stemmen soll? Das Beharren der SPD-Fraktion auf einen mit Steuermitteln subventionierten Industriestrompreis, den Scholz genauso beharrlich ablehnt, ist Ausdruck akuter Sorge vor einer De-Industrialisierung auch in den Reihen der Kanzler-Partei.
Scholz weiß ebenfalls, dass die kommenden Jahre herausfordernd bleiben werden für das ganze Land. Doch erstens ist Fatalismus so gar nicht seine Sache und zweitens geht es beim "Deutschland-Pakt" weniger darum, was die Regierung macht, als um das Verhalten von CDU und CSU. Spitzenvertreter beider Parteien redeten das Land und seine Lage viel schlechter als sie sind, findet Scholz. Während der Bundeskanzler immer wieder das Wir und die Chancen der mannigfaltigen Herausforderungen betont, weiß man vom Oppositionsführer Friedrich Merz derzeit vor allem, wen und was er alles nicht gut findet. In den vergangenen Tagen waren es die Menschen in Berlin-Kreuzberg, die Grünen und das Heizungsgesetz. Scholz dagegen präsentierte sich in der Generaldebatte als optimistischer Macher im Auftrag aller Bürgerinnen und Bürger; als Gegenstück zum obersten Miesmacher von der CDU.
Scholz umarmt die Merz-Gegner
Für Merz, der sich seiner Kanzlerkandidatur 2025 nicht sicher sein kann, ist das durchaus ein Dilemma. Sein polarisierender Kurs spaltet schließlich auch die eigene Partei: Trotz einer historisch unbeliebten Bundesregierung stagniert die CDU in den Umfragen, während gestiegene Ängste und Sorgen in der Bevölkerung vor allem auf das Konto der AfD einzahlen. Zudem haben die Länderchefs von CDU und CSU kein Interesse an einer politisch herbeigeredeten Endzeitstimmung, die Investitions- und Kaufbereitschaft vollends abwürgt. Scholz lobte in seiner Rede die von den möglichen CDU-Kanzlerkandidaten Hendrik Wüst und Daniel Günther regierten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Der Kanzler umarmte Merz' Gegenspieler, die auch lieber anpacken, als von Deutschlands Apokalypse zu raunen.
So wird der "Deutschland-Pakt" zwar nicht zu einer informellen großen Regierung aus Ampel und Union führen. Und auch die aufgezählten Instrumente werden allein keine schnelle Konjunkturwende bewirken. Doch Scholz würde es schon reichen, wenn die Union nicht länger in die Weltuntergangsmelodien der radikalen Kräfte einstimmt und die konservativen Länder-Chefs ein wenig mehr an einem Strang mit dem Bund ziehen würden. Der "Deutschland-Pakt" wäre dann vor allem ein Pakt gegen die demokratiegefährdende AfD. Um diese zurückzudrängen, braucht es nämlich keine Milliardenpakete und auch keine knackigen Kanzler-Slogans. Etwas mehr Zuversicht und eine konstruktivere Grundhaltung aller in Regierungsverantwortung stehenden Parteien würden schon weiterhelfen.
Quelle: ntv.de