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Putins apokalyptischer Reiter Schröder zeigt weder Charakter noch Reue

Kreml-Lobbyist Gerhard Schröder ist offenbar mit sich im Reinen (Fotomontage).

Kreml-Lobbyist Gerhard Schröder ist offenbar mit sich im Reinen (Fotomontage).

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Der Altkanzler hat der "New York Times" ein Interview gegeben, das fassungslos macht. Schröders Aussagen sind ein einziger Offenbarungseid darüber, wie charakterlos und selbstverliebt er ist.

Gerhard Schröder ist alles andere als dumm, er kennt sich mit PR aus. Ihm dürften dieser Tage Anfragen von 'Bild', 'Bams' und 'Glotze' - die er selbst mal als für ihn relevante Medien bezeichnete - vorgelegen haben, doch bitte in einem Interview umfassend Stellung zu beziehen zu seiner Beziehung zu Wladimir Putin und dessen Überfall auf die Ukraine. Aber der Ex-Kanzler entschied sich für die "New York Times".

Das hatte für ihn mehrere Vorteile: Schröder sieht sich nach wie vor als Größe der Weltpolitik mit der Fähigkeit, Wladimir Putin zur Räson zu bringen - aus dieser Sicht heraus wertet es ihn nur auf, wenn ihm die bekannteste Tageszeitung der Welt ein Forum bietet. Und außerdem durfte er mit einem weniger konfrontativ geführten Gespräch rechnen, in dem es nicht nur um seine Rolle und die SPD geht, sondern das Große und Ganze. Die "NYT" schreibt nun mal für eine Leserschaft, die Deutschland wenig kennt, vielleicht von Angela Merkel gehört hat, aber ansonsten fragt: Gerhard Wer?

Katrin Bennhold, die Chefin des Berliner Büros der "NYT", erzählt die Story, wie Schröder und Russlands Präsident Putin zueinander fanden. Sie stellt den SPD-Politiker als wichtigen, aber eben nur einen Baustein in der Geschichte dar, wie sich Deutschland von russischem Erdgas abhängig machte. Sie verweist auf "aggressive Lobbyarbeit der deutschen Exportindustrie", den "Beifall der Gewerkschaften" und das Zutun Merkels. Zitiert wird Wolfgang Ischinger, der langjährige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz: "Schröder ist die Spitze des Eisbergs. Aber es gibt einen ganzen Eisberg unter ihm."

Ich, ich, ich

Der Bericht ist fair, Bennhold ist weit davon entfernt, den Sozialdemokraten zu beschuldigen, zu denunzieren oder bloßzustellen. Letzteres übernimmt das SPD-Mitglied selbst in einer Art und Weise, die schockiert und fassungslos macht. Schröders Aussagen sind ein einziger Offenbarungseid über seine Scham- und Charakterlosigkeit, ein Dokument der Selbstverliebtheit und Anmaßung. Ihm mangelt es an Rücksicht auf seine Partei, Gespür für die Realität, Reflexion und sogar an Mitleid. Das Interview ist ein einziges Statement: ich, ich, ich.

Schröder strickt weiter an seiner Legende, ein treuer Staatsdiener zu sein - es sind die anderen, die es nicht sehen und würdigen. "Ich habe immer den deutschen Interessen gedient", sagt er. "Ich tue, was ich tun kann. Wenigstens eine Seite vertraut mir." Das "wenigstens" zeigt die tiefe Kränkung des Narzissten, der alles nur auf sich bezieht und deshalb Phantomschmerz empfindet, sich verlassen fühlt von der einen Seite, während die andere "wenigstens" zu ihm hält. Schröder versteht noch immer nicht, dass er für Millionen gekauft wurde und dafür der Seite dient, der man nicht vertrauen kann, weil sie die Welt belogen und betrogen und haufenweise internationale Abkommen gebrochen hat.

Es trägt tragische Züge, dass Schröder ernsthaft glaubt, Putin sei sein Freund. Wäre der Alt-Kanzler nicht so verblendet und überzeugt, das absolut Richtige zu tun, müsste ihm spätestens jetzt dämmern: Diktatoren haben keine Freunde, sie unterscheiden Menschen ganz banal in zwei Typen: nützlich oder nicht nützlich. Schröder gehört zur ersten Kategorie.

Den Russen und den Deutschen verbinden vielleicht Herkunft aus einfachem Hause und Charakterzüge, aber keine inneren Werte, die eine Freundschaft erst ausmachen. Sonst müsste Schröder Putin nicht schonen. Denn wahre Freundschaft hält die Wahrheit aus. Geht sie zu Bruch, wenn einer sagt, was er denkt, war es keine.

Putin würde Schröder fallen lassen

Schröders fortgesetztes Beschönigen von Putins Handeln ist nichts als Nibelungentreue. Würde er sich von Putin lossagen, würde der ihn sofort fallen lassen: Der nützliche Idiot hat ausgedient. Schon deshalb hält Schröder dem Kriegsherrn im Kreml die Stange. Denn ein öffentlicher Bruch wäre für den Sozialdemokraten eine öffentliche Niederlage, die ihn hart treffen würde. Gezeigt hat sich das in seinem Verhalten, als er "unwiderruflich" den Verzicht auf die Ehrenbürgerschaft von Hannover erklärte, um dem Verfahren zu entgehen. So hält sich die Schmach in Grenzen, Schröder kann sich einreden, mit dem freiwilligen Verzicht selbstbestimmt gehandelt zu haben.

Der Alt-Kanzler ist inzwischen genauso zynisch wie Putin. Selbst das Massaker in Butscha führt bei ihm zu keinem Umdenken. Schröder sagt das, was alle sagen, die es sich nicht (ganz) mit Putin verscherzen wollen, um ihre Geschäftsmodelle zu retten: "Das muss untersucht werden." Die Befehle seien nicht von Putin gekommen, sondern von "niedrigeren Stellen", behauptet Schröder, als wisse er nicht, dass der Kreml-Chef der Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte ist. Dass ein Mitglied der Partei von Willy Brandt und Helmut Schmidt einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher den Gang zum Internationalen Gerichtshof ersparen will, ist überaus traurig.

Wie abgehoben Schröder inzwischen ist, zeigt seine Mea-Culpa-Aussage. Das Schuldbekenntnis legen Christen nur vor Gott "dem Allmächtigen" ab. Das heißt, der Alt-Kanzler will sich keinem irdischen Urteil unterwerfen, was sein Handeln erklärt. Man muss sofort an den verlogenen Auftritt Putins denken, wie er mit einer Kerze am orthodoxen Osterfest in Moskau auf Unschuldslamm macht, als sei er fromm und stehe für die Werte der Christenheit.

"Ich mache keine mea culpa", sagt Schröder. "Das ist nicht mein Ding." Denn er habe es ja immer, immer, immer nur gut gemeint mit Deutschland. Und schließlich: "Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass Putin daran interessiert ist, den Krieg zu beenden. Aber das ist nicht so leicht. Da gibt es ein paar Punkte, die geklärt werden müssen."

Der Sozialdemokrat macht einfach da weiter, wo er nie aufgehört hat. Er hilft Putin, an der Macht zu bleiben und seinen Krieg zu finanzieren. Bejubelt wird der Alt-Kanzler dafür nur noch von der AfD. Das Interview zeigt einmal mehr: Schröder sitzt auf einem hohen Ross, ohne zu merken, dass er ein apokalyptischer Reiter ist, der einem Kriegsherrn dient.

Quelle: ntv.de

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