Die syrische Katastrophe Zum Zusehen verdammt
31.05.2012, 14:13 Uhr
Für die Zivilbevölkerung ist der Konflikt eine Katastrophe, egal, ob jemand von außen eingreift oder nicht.
(Foto: AP)
Was bleibt der internationalen Gemeinschaft angesichts des Bürgerkrieges noch übrig, als irgendwie Aktion zu zeigen? Doch alle Reden, Beschlüsse und Drohungen offenbaren immer deutlicher die Ratlosigkeit der Außenstehenden: Sie können letztlich nichts tun.
Zur Lage in Syrien und was gegen die Gewalt in der Levante zu tun ist, fällt den Staatschefs der restlichen Welt kaum noch etwas ein. Der Friedensplan des Sondergesandten Kofi Annan wird mal für tot erklärt, mal als einzig gangbarer Weg bezeichnet. Letzteres tut Bundeskanzlerin Merkel. Alternativ sprechen die ersten über einen Militäreinsatz, an den aber niemand tatsächlich zu glauben scheint und den auch niemand, der bei Verstand ist, wollen kann. Der aus mehreren Ländern, unter anderem aus Deutschland, kann deshalb nur als Finte gewertet werden: Das Ende diplomatischer Beziehungen als vermeintliche Vorzeichen des Krieges.
Alle Rhetorik der westlichen Staatsführungen offenbart nichts als Hilflosigkeit. Ratlos, wie sie sind, halten sie eine Sitzung nach der anderen ab. Doch mit umfangreichen Sanktionen und einigen zusammengewürgten präsidialen Erklärungen hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seine Möglichkeiten längst ausgeschöpft. Denn zu einer Resolution - die letztlich auch einen Militäreinsatz offiziell für legal erklären könnte - wird es nicht kommen und zwar unabhängig davon, ob ihre ablehnende Haltung ändern. Russland erklärt derweil, es übe jeden Tag Druck auf die Führung von Baschar al-Assad aus. Bei seinem Besuch in Berlin will Bundeskanzerlin Merkel noch einmal auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin einwirken.
Friedensplan schon lange tot
Der wurde nur mangels Alternative noch nicht offiziell für gescheitert erklärt. Dass die Beobachter der Vereinten Nationen in Syrien rein gar nichts erreichen würden, war auch schon vor dem Massaker von Al-Hula vergangene Woche klar. Wo sie die Lage inspizieren dürfen, bestimmt letztlich das Regime, und selbst wenn sie Verbrechen aufdecken, ändert das noch lange nichts am Bürgerkrieg. Das einzige, was sie tun können, ist den Krieg zu dokumentieren, damit sich die Außenwelt nicht allein auf die Darstellung der unmittelbar Beteiligten im Internet oder sonstwo stützen muss. Die deutsche Regierung hält am Friedensplan fest und will ihn mit Leben gefüllt anstatt für tot erklärt sehen. Hinter vorgehaltener Hand jedoch sehen auch die Deutschen die Handlungsoptionen nur noch außerhalb des Sicherheitsrates.
Den konfessionellen Bürgerkrieg, zu dem der Konflikt geworden ist, haben Kenner des Landes bereits kurz nach Beginn der ersten Demonstrationen vor fast 15 Monaten vorausgesagt, und genau so ist es gekommen. In Syrien kämpfen nicht nur Regimegegner gegen ein Regime, es ist längst auch ein Stellvertreterkrieg zwischen den Regionalmächten Saudi-Arabien und anderer sunnitischer Golfstaaten auf der einen und der schiitischen Großmacht Iran auf der anderen Seite geworden. In zweiter Reihe ist es damit ein Konflikt, in dem vitalste Interessen der USA, Israels und Europas auf dem Spiel stehen.
Der neue französische Präsident brachte nun als erster Europäer einen Militäreinsatz ins Spiel und setzte die äußerst unwahrscheinliche Legitimation durch den Sicherheitsrat voraus. So richtig ernst nehmen die anderen Staaten diese Drohung nicht. Die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice erklärt kurzerhand, zur Not müsse man eben ohne Mandat etwas unternehmen - das haben die USA schließlich schon im Irak so gehandhabt. Befriedet wurde das Land dadurch nicht, ebensowenig wie Afghanistan oder Libyen, wo mit UN-Mandat gebombt wurde. Doch längst haben die USA klargemacht: Sie haben keinerlei Interesse an einer militärischen Option in Syrien. Zudem stellt sich die Frage: Was wäre das genaue Ziel eines Militäreinsatzes? Glaubt einer der Wortführer allen Ernstes, dass sich mit der Absetzung von Präsident Assad etwas ändern würde?
Gegenseitige Schuldzuweisungen und Ohnmacht
Angetrieben von Empörung und Entsetzen fühlen sich besonders die westlichen Regierungen angesichts solcher Grausamkeiten wie jetzt in Syrien bemüßigt, etwas zu tun. Dies hat vordergründig mit ihrem Selbstbild als Vorreiter in Sachen Menschenrechte und Demokratie und hintergründig mit Macht- und Sicherheitsinteressen zu tun. Es ist sicher auch richtig, nicht einfach zusehen zu wollen. Doch womöglich sind Europäer wie Amerikaner dieses Mal zum Zusehen verdammt. Die konfusen Wortbeiträge ihrer Politiker, die nun anfangen, sich gegenseitig Schuld zu geben, sind nur Symptom dieses ohnmächtigen Erkennens.
Vermutlich haben doch nicht einmal mehr die Rebellen in Syrien einen Überblick, was eigentlich passiert. Niemand hat einen Plan, wie das Machtvakuum nach einem fremdgesteuerten Sturz Assads gefüllt werden könnte. Ganz abgesehen davon, dass dies von außen wohl kaum steuerbar wäre. mischen mit, darunter Deserteure, eingeschleuste Kämpfer aus anderen arabischen und islamischen Ländern, Regimetruppen und ihre Milizen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, so deprimierend es auch sein mag, lässt sich nur eines mit Sicherheit feststellen: Niemand kann etwas tun gegen das Blutvergießen in Syrien, das absehbar und angekündigt war.
Quelle: ntv.de