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Zwischenruf Der mit dem Schwert fuchtelt

Frankreichs neuer Staatschef ist weltweit der erste Präsident, der eine Intervention in Syrien nicht mehr ausschließen will. Doch ein direktes militärisches Eingreifen birgt die Gefahr eines regionalen Flächenbrandes. Außerdem scheint klar, dass sowohl das Regime als auch die Aufständischen mit brutaler Gewalt gegen Zivilisten vorgehen.

François Hollande schließt eine Intervention in Syrien nicht mehr aus.

François Hollande schließt eine Intervention in Syrien nicht mehr aus.

(Foto: dpa)

Frankreich macht in Sachen Intervention wieder einmal den Vorreiter. Im Falle von Muammar al-Gaddafis Libyen war es der philosophierende Präsidentenflüsterer Bernard-Henri Lévy, welcher Nicolas Sarkozy überzeugte, den einstigen Verbündeten in die Wüste zu bomben. François Hollande treiben profanere Beweggründe an, wenn er ein militärisches Eingreifen in Syrien nicht mehr ausschließt. Der vorgebliche Radikalsozialist muss zeigen, dass er keineswegs eine Friedenstaube ist. Wenn sein Land schon nicht am Dirigentenpult steht, soll es immerhin zeigen, dass es die erste Geige spielen kann. US-Kollege Barack Obama zieht sich mit der Losung "Krieg nur, wenn absolut notwendig" vor den Präsidentenwahlen im November aus der Affäre. Hollande hat den Urnengang hinter sich. Den konnte er allerdings nur mit den Stimmen jener Parteien für sich entscheiden, die einen Krieg um Syrien ablehnen.

Libysche Erfahrung sitzt tief

Für die Wahlen zur Nationalversammlung im Juni muss sich der Schwertfuchtler keine Sorgen machen. Erstens, weil es bis zum 10. respektive 17. Juni sehr wahrscheinlich nicht zu einer Aktion kommt, zweitens, weil viele Wähler militärische Auslandseinsätze, wie im Falle französischer Ex-Kolonien häufig geschehen, recht gelassen hinnehmen. Frankreich hatte bis 1946 ein Mandat des Völkerbundes für Syrien. Und drittens, weil Russland und China der Anwendung des Artikels VII der UN-Charta im Sicherheitsrat ganz gewiss ablehnen werden. Zu tief sitzt die libysche Erfahrung: Moskau und Peking hatten einer vage formulierten Resolution zugestimmt, nicht aber einem flächendeckenden Bombardement und einem Sturz des Diktators. Außerdem befindet sich im syrischen Tartus der einzige russische Marinestützpunkt im Mittelmeer. Man stelle sich vor, Moskau würde eine Intervention in Bahrain fordern, wo die 5. Flotte der US Navy ankert.

Problematisch ist eine Intervention auch, weil die Spaltung in Opposition und Sympathisanten von Diktator Baschar al-Assad oft mitten durch Städte und Ortschaften verläuft. Hohe Opferzahlen unter Zivilisten wären die Folge. Mithin ginge nichts ohne Bodentruppen. Hollandes Chefdiplomat Laurent Fabius warnt zugleich vor der Schlagkraft der syrischen Armee. Auch die Nähe zu Israel, über dessen Grenzen, ein bewaffneter Konflikt am Boden wie in der Luft, nur allzu leicht schwappen könnte, spielt dabei eine Rolle. Nicht zuletzt ist ungewiss, wie der Iran, bedeutendster Alliierter Syriens in der Region, reagieren würde. Es ist fraglich, ob der Westen riskiert, die zaghaften Fortschritte in den Atomgesprächen mit Teheran aufs Spiel zu setzen. Zudem weist mit Paul Craig Roberts sogar ein ehemaliger US-Vizeminister der Reagan (!)-Administration darauf hin, dass der US-Geheimdienst CIA bei den Aufständischen mitmischt. Offenkundig liefern Saudi-Arabien und Katar insgeheim seit längerem schon Waffen an die Aufständischen, unter die sich auch Angehörige der Terrorgruppe al-Kaida gemischt haben.

Einerseits heißt es, regimetreue Bab-Al-Siba'a-Milizen hätten das Massaker von al-Houla begangen. Der kanadisch-jüdische Globalisierungskritiker Michel Chossudovsky hingegen meint, die USA praktizierten in Syrien das sogenannte "Salvador-Modell". In den 1980er-Jahren hatte die CIA in dem zentralamerikanischen Land Todesschwadronen unterstützt, deren Morde der linken Guerilla in die Schuhe geschoben wurden.

Unstrittig ist, dass das brutale Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung beendet werden muss. Und zwar von beiden Seiten. Das geht nur mit politischen Mitteln. Am besten ohne die Assad-Clique. Und ohne Radikalislamisten. Der Weg in ein neues, demokratisches Syrien sollte nicht mit dem Schwert gebahnt werden, cher camarade Hollande!

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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