Person der Woche

Person der Woche Kamala Harris, die eigentliche Wahlsiegerin

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Kamala Harris ist der heimliche Star im US-Wahlkampf. Im Kampf der alten Männer wirkt sie wie ein Versprechen auf die Zukunft. Wenn Biden gewinnt, steigt sie nicht nur als erste Frau und erste Schwarze ins Vizepräsidenten-Amt auf. Sie hat Chancen, 2024 die erste Präsidentin der USA zu werden.

Eine Präsidentin oder Vizepräsidentin der USA gab es noch nie. Erst dreimal in zweieinhalb Jahrhunderten standen überhaupt Frauen zur Wahl: Hillary Clinton im Präsidentschaftswahlkampf 2016, Geraldine Ferraro als Vizepräsidentschaftanwärterin neben Walter Mondale 1984 und Sarah Palin an der Seite von John McCain 2008. Alle drei Versuche, endlich eine Frau ins Weiße Haus zu bringen, scheiterten. Diesmal könnte es klappen. Kamala Harris wird - wenn Joe Biden, wie es die Umfragen voraussagen, die Wahl gewinnt - die erste Frau im Vizepräsidentenamt der USA, obendrein auch die erste Schwarze in diesem Amt.

Kamala Harris ist politisch kampferprobt und rhetorisch stark - und lacht häufig und herzlich.

Kamala Harris ist politisch kampferprobt und rhetorisch stark - und lacht häufig und herzlich.

(Foto: AP)

Die Erste in neuen Rollen zu sein, das ist Harris gewohnt: Sie war die erste Frau auf dem Chefposten der Bezirksstaatsanwaltschaft von San Francisco, die erste Justizministerin Kaliforniens, schließlich die erste schwarze Senatorin Kaliforniens in Washington. Die Verkörperung der Doppelinnovation bei Gender und Diversity hat Harris zum heimlichen Star im US-Wahlkampf werden lassen. Zwei Facetten kommen ihr beim Image der Frau von morgen obendrein zugute. Sie verkörpert mit ihren 56 Jahren im Feld der hochbetagten Wahlkämpfer den Generationenwechsel. Neben der verkrusteten politische Szenerie des Jahres 2020 mit Donald Trump (74 Jahre) oder Joe Biden (77 Jahre), Bernie Sanders (79 Jahre) oder Elizabeth Warren (71 Jahre) wirkt sie wie die dynamische Ärztin im politischen Altenheim.

Ein zweites Element lässt Kamala Harris als ein Versprechen auf die Zukunft Amerikas erscheinen. Sie vertritt Kalifornien im Senat. Damit verkörpert sie das modernste, erfolgreichste und dynamischste Land der USA. Kalifornien wäre als unabhängiger Staat die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Es ist das Entwicklungslabor der digitalen Welt und ökologische Avantgarde, modern, erfolgreich und liberal - wie eine Blaupause für die besseren USA des 21. Jahrhunderts.

Damit punktet Harris nicht nur als Vorkämpferin für Frauen und Schwarze, sie steht für die "Californication" als Zukunftsvision - bis hin zu der von ihr verfochtenen Legalisierung von Marihuana-Konsum. Im bevölkerungsreichsten Staat der USA wird sie aller Voraussicht nach ein spektakulär gutes Ergebnis für die Demokraten erringen.

Harris ist politisch kampferprobt und rhetorisch stark. Schon ihre Mutter - eine Krebsforscherin, die aus Indien in die USA eingewandert war, ihr Vater stammt aus Jamaika - war aktive Bürgerrechtlerin und hat ihr die Lust an der politischen Offensive vererbt. Berühmt und gefürchtet wurde sie, als sie den heutigen Verfassungsrichter Brett Kavanaugh während seiner Bestätigungsanhörungen im Senat 2018 wie eine Inquisitorin in die Mangel nahm. Für Donald Trump ist sie seither "außerordentlich böse". Als sie sich kürzlich eine gute Debatte mit dem Vizepräsidenten Mike Pence lieferte, griff der Präsident Harris sogar als "Monster", "schrecklich", "völlig unsympathisch" und "Kommunistin" an.

Doch für Harris gilt "viel Feind, viel Ehr". Sie weiß sich zu behaupten und dürfte im Weißen Haus eine Langfrist-Chance sehen. Joe Biden ist alt. Sollte ihm in seiner Amtszeit etwas zustoßen, würde Harris seine Nachfolgerin. Kaum jemand erwartet, dass Biden in der Lage sein wird, eine zweite Amtszeit anzustreben. Damit wächst Harris vom ersten Tag im Weißen Haus in die Rolle der Präsidentschaftskandidatin 2024 hinein.

Denn Biden hat die scharfzüngige Harris nicht nur ausgewählt, um möglichst viele Stimmen von Frauen und Schwarzen zu mobilisieren. Er wollte sie explizit auch deswegen, weil die erfahrene Politikerin sofort in der Lage wäre, das Präsidentenamt zu übernehmen. "Sie weiß wie man regiert. Sie wäre in der Lage, diesen Job sofort zu übernehmen", sagte Biden bei der Vorstellung seiner Vize-Kandidatin.

Ihre Langfristchancen werden entscheidend davon abhängen, inwieweit sie auch in der politischen Mitte des Landes Zustimmung erfährt. Bislang ist Harris als Parteilinke positioniert, und damit als kaum mehrheitsfähig für das ganze Land. Anders als der mittige Biden tritt sie für den öko-sozialistischen "Green New Deal" ein, für höhere Steuern und steigende Sozialausgaben. Sie will offene Grenzen für mehr Zuwanderung, befürwortet Gendergesetze und ist eine Verteidigerin der Abtreibung. Einzig auf dem Feld der inneren Sicherheit hat sie - aufgrund ihrer Zeit als Generalstaatsanwältin in Kalifornien - ein "Law and Order"-Image als "Top Cop" (Oberpolizistin) gepflegt, was ihr in Teilen bei schwarzen Wählern sogar schaden könnte.

Gefolgsleute von Harris verweisen auf ihre Weltoffenheit und ihr Bekenntnis zum Multilateralismus. Die außenpolitischen Beziehungen vor allem zu Europa dürften sich mit dem Doppel Biden/Harris deutlich verbessern. Insbesondere Angela Merkel gilt bei Demokraten als populär und ein demonstrativer Schulterschluss Harris/Merkel wird bereits erwartet. Denn Angela Merkel hat bereits bewiesen, was Harris noch fehlt: Durchhaltevermögen und Nachhaltigkeit. Genau das strebt die selbstbewusste Emanzipatorin aus Kalifornien an. Als Harris einmal nach ihrem Motto gefragt wurde, zitierte sie ihre Mutter: "Du magst die Erste sein, aber sorg dafür, dass du nicht die Letzte bist."

Quelle: ntv.de

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