Politik

TV-Duell mit Pence und Harris Die Vizekandidaten wären die besseren Chefs

Das TV-Duell zwischen Trump und Biden steckt den Amerikanern noch in den Knochen, da treffen sich nun Vizepräsident Pence und seine Herausforderin Harris zur Debatte. Und die verläuft völlig anders als das Aufeinandertreffen der Kandidaten. 

Es ist doch noch möglich, dass US-amerikanische Politiker miteinander debattieren, ohne dass totales Chaos ausbricht - dies ist die erste Botschaft, die von der Vizepräsidenten-Debatte am Mittwochabend Ortszeit ausgeht. Nach dem Schrei-Spektakel vorletzte Woche zwischen US-Präsident Trump und seinem Herausforderer Biden trafen nun der republikanische Vizepräsident Mike Pence und die demokratische Kandidatin für das Amt, Senatorin Kamala Harris, aufeinander. Verglichen mit der Begegnung der Chefs war es geradezu erholsam, aber keinesfalls langweilig. Zumindest phasenweise kam eine Diskussion auf und waren Argumente zu hören.

Es war ein wenig paradox, dass diese Vizepräsidentendebatte so viel Aufmerksamkeit bekam wie selten eine zuvor, doch bei dieser Wahl ist vieles anders als früher. Da ist die krasse Polarisierung der politischen Lager, die für Wut und Entschlossenheit auf beiden Seiten sorgt. Aber vor allem bewerben sich zwei Männer um das Amt, die alt sind. Biden wäre im Januar 2021 bereits 78 Jahre alt, Trump "nur" 74 - und damit älter, als es je ein anderer Präsident bei Amtsantritt war. Wenn der erste Mann im Staat aber ausfällt, muss der Vizepräsident einspringen - so wie es beispielsweise nach dem Mord an John F. Kennedy 1963 passierte.

Das Duell war auch deswegen spannend, weil hier zwei Menschen diskutierten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite Kamala Harris, schwarz, Tochter einer indischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters, beide Einwanderer, die Karriere als Strafverfolgerin in Kalifornien machte und mittlerweile Senatorin ist. Auf der anderen Seite Mike Pence, Trumps loyaler zweiter Mann, der als erzkonservativ gilt und dem nachgesagt wird, er halte sich nie allein mit einer Frau in einem Raum auf. So viele Gegensätze auf einmal: Frau gegen Mann, Schwarz gegen Weiß, urbane Westküste gegen ländlicher Mittlerer Westen und natürlich: Demokratin gegen Republikaner.

Pence hatte den schwereren Job

Da es nur eine Vizepräsidenten-Debatte gibt, musste Moderatorin Susan Page von der Zeitung "USA Today" in den 90 Minuten möglichst viele Themen abklappern - es begann wie erwartet mit der Corona-Krise. Harris haute Pence die Verfehlungen nur so um die Ohren. "Wir erleben das größte Scheitern einer Regierung in der Geschichte unseres Landes", sagte sie. Trump und Pence hätten schon im Januar erfahren, wie gefährlich das Virus ist, hätten aber nicht reagiert. Stattdessen hätten sie die Gefahren heruntergespielt, der Präsident habe gar gesagt, es sei nichts als ein Hirngespinst ("hoax").

Sieben Millionen Corona-Infizierte in den Vereinigten Staaten, mehr als 210.000 Tote und ein sich weiter ausbreitendes Virus sind tatsächlich keine besonders gute Bilanz. Zumal andere Länder die Pandemie deutlich besser in den Griff bekamen. Dazu die Infektion von Trump selbst und der Ausbruch im Weißen Haus - Pence hatte bei diesem Thema den schwereren Job. Er argumentierte wie Trump, dass man ja gleich zu Beginn der Pandemie Einreisen aus China verboten habe, was Biden als fremdenfeindlich und hysterisch kritisiert habe. So habe man Millionen Leben gerettet.

Das stimmt allerdings nur so halb - der Demokrat hat Trump zwar als hysterisch und fremdenfeindlich bezeichnet, billigte die Einreisebeschränkungen aber. Er sagte auch, dass diese nicht ausreichend seien, um die Pandemie zu bekämpfen. Dennoch fiel auf, dass Pence wesentlich größere Hemmungen zu haben scheint, einfach irgendetwas zu behaupten, wie es Trump so häufig tut. Er formulierte vorsichtiger, seriöser. So sagte der Vizepräsident etwa, er glaube, man werde bis Jahresende einen Impfstoff haben, während Trump dies als Tatsache präsentiert. Experten warnen dagegen, dass es trotz vielversprechender Forschungsergebnisse sein kann, dass es noch viel länger dauert.

"Herr Vizepräsident? Ich rede jetzt"

Corona war natürlich nicht das einzige Thema, es gab viel zu besprechen: Außenpolitik, Klimawandel, Besetzung von Richterposten waren nur einige. Bei der Wirtschaft verwies Pence darauf, dass man Regulierungen abgeschafft und Steuererleichterungen für alle geschaffen habe. Harris und Biden warf er vor, die Steuern erhöhen zu wollen. "Nur für alle, die mehr als 400.000 Dollar verdienen", konterte die Demokratin, die zudem zurückwies, die umstrittenen Gasbohrungen ("Fracking") oder gar fossile Treibstoffe verbieten zu wollen - ein Thema, das beispielsweise im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania für viele Menschen wahlentscheidend sein könnte. Bei der Frage zu den Protesten nach dem Tod von George Floyd stellte sich Harris erwartungsgemäß auf die Seite der Demonstranten, verurteilte aber Gewalt. Pence kritisierte diese besonders und sagte, es seine Beleidigung, die USA insgesamt als rassistisch zu bezeichnen.

Wohltuend war, dass Harris und Pence einigermaßen respektvoll und fair miteinander umgingen. Pence grätschte zwar hin und wieder dazwischen, aber so wie das in solchen Formaten nun einmal passiert. Harris sagte dann stets freundlich und bestimmt: "Herr Vizepräsident? Ich rede jetzt" oder ebenso ruhig: "Lassen Sie mich ausreden." Pence sagte, er respektiere Harris für ihre Karriere in öffentlichen Ämtern, es sei eine "Ehre", mit ihr auf der Bühne zu stehen, und er bezeichnete es gar als "historisch", dass sie als Frau für das Amt der Vizepräsidentin kandidiere.

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Und wer machte nun die bessere Figur? Das hängt wohl davon ab, wo man politisch steht. Harris trat sehr souverän auf, zeigte sich sowohl kompetent und hart, etwa wenn sie Pence in die Schranken wies, aber auch einfühlsam, wenn sie über Menschen sprach, die in der Wirtschaftskrise plötzlich für Lebensmittelmarken Schlange stehen. Zugleich wirkte sie dynamisch und voll auf der Höhe - was dem eigentlichen Kandidaten Biden nicht immer gelingt.

Pence trat wie die zivile Version Trumps auf. In der Sache lag er voll auf der Linie des Präsidenten, war aber viel versöhnlicher im Ton. Beide taten das, was ihr Job ist: Sie versuchten die Schwächen ihrer Chefs auszugleichen. Und dies so überzeugend, dass man meinen konnte, hier standen die besseren Präsidentschaftskandidaten auf dem Podium.

Quelle: ntv.de

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