Hessen Apotheker warnen: Rezeptfälschungen nehmen zu
19.10.2025, 04:03 Uhr
Gefälschte Rezepte für Abnehmspritzen beschäftigen Polizei und Apotheken in Hessen. Der Apothekerkammerpräsident warnt vor Risiken – und erklärt, wie er und seine Kollegen Betrugsversuche erkennen.
Wiesbaden (dpa/lhe) - Vor wenigen Wochen wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Fulda gegen ein Trio aus dem Rhein-Main-Gebiet ermittelt. Der Vorwurf: Betrug und bandenmäßiger Handel mit teuren Abnehmspritzen. Die Sache ist keineswegs ein Einzelfall in Hessen. Die Kriminalität im Zusammenhang mit gefälschten Rezepten für Abnehmspritzen hat nach Einschätzung der Landesapothekerkammer zugenommen. Auch andere teure Medikamente etwa gegen Krebs seien betroffen, sagt Präsident Christian Ude. "Wir sehen das Problem mit Rezeptfälschungen mit sehr kritischem Blick."
Allerdings sei das Phänomen keineswegs neu. Schon in der Vergangenheit habe es immer wieder Fälle gegeben, bei denen sich Menschen illegal Medikamente hätten besorgen wollen. Nach den Worten von Ude ging es dabei jedoch oft um kleinere Mengen, die über gefälschte Privatrezepte beschafft werden sollten. Oft handelte es sich beispielsweise um Beruhigungsmittel zum Eigenbedarf, etwa von Abhängigen.
Fälle drehen sich inzwischen oft um Lifestyle-Medikamente
"Heute werden Rezepte mutmaßlich nicht immer für den Eigenbedarf gefälscht, sondern eventuell auch zur Weitergabe oder zum Weiterverkauf", erläutert der Apotheker. "Häufig geht es um Lifestyle-Medikamente oder andere teure Medikamente etwa aus der Onkologie, die dann nicht auf Privatrezepten, sondern auf einem gefälschten Kassenrezept stehen." Dadurch entstünden teils hohe Schäden bei den Apotheken und gegebenenfalls auch bei den Krankenkassen. "Man muss unterstellen, dass die Täter inzwischen oft organisierter vorgehen", erklärt Ude.
"Es gibt allerdings Mechanismen, Fälschungen zu erkennen", sagt der Kammerpräsident. Neben eindeutigen Mustern und Indizien helfe erfahrenen Apothekern auch das Bauchgefühl. Das Apothekennetz mit seinen Filialen in Deutschland biete Schutzmechanismen, die beispielsweise ein Online-Versender aus dem Ausland nicht habe. "Wenn einem der Mensch gegenübersteht, kann man Rezepte und die Gesamtsituation schlicht besser auf ihre Plausibilität prüfen", sagt Ude.
Dazu zähle etwa, ob der Kunde Fragen zum Rezept schlüssig beantworten könne und ob er anstandslos bereit sei, für die Zeit der Bestellung seine Kontaktdaten in der Apotheke zu hinterlegen. "Man könnte ganz vereinfacht sagen: Wenn es mutmaßlichen Betrügern zu lange dauert, dann gehen sie wieder." Im Kollegenkreis sei Rezeptbetrug selbstverständlich ein Thema, das bei Fortbildungen aufgegriffen werde. Die Apotheken warnten sich auch untereinander, wenn in einer bestimmten Region Kriminelle aufgefallen seien.
Apotheker warnt vor hohen Risiken
"Die Apothekenbetriebsordnung sieht natürlich vor, Arzneimittel nicht abzugeben, wenn Bedenken bestehen - aus pharmazeutischen Gründen, aber auch aus anderen Gründen", bekräftigt Ude. Jedoch müsse der Apotheker stets die Schweigepflicht im Blick behalten. Und trotz aller Vorsicht könne mal ein gefälschtes Rezept durchrutschen. Ude verwies auf das hohe Risiko, hochwirksame, verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ärztliche Vorgabe zu nehmen. "Wenn Sie etwa Abnehmspritzen an die falschen Menschen geben, kann das echt gefährlich werden."
In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird aufgrund fehlender Parameter keine explizite Auswertung zu Betrug mit gefälschten Rezepten für gewichtsreduzierend wirkende Arzneimittel vorgenommen, wie das Landeskriminalamt in Wiesbaden mitteilte. Nur soviel: In Hessen seien seit Januar 2024 Fälle "im oberen zweistelligen Bereich" bekannt, in denen Täter durch das Vorlegen von gefälschten Rezepten an die Abnehmspritze Ozempic gelangten.
In der überwiegenden Mehrheit der bekannten Fälle hätten Täter versucht, mit Hilfe gefälschter Rezepte Abnehmspritzen in lokalen Apotheken zu erwerben, erläuterte ein LKA-Sprecher. Daneben beobachteten die Ermittler ein neues Betrugsphänomen, bei dem Kriminelle vermeintliche Abnehmspritzen auf Social Media zum Kauf anböten, diese jedoch nicht an die zahlenden Kundinnen und Kunden lieferten.
Quelle: dpa