Regionalnachrichten

HessenStreit um Hanaus richtige Einwohnerzahl spitzt sich zu

05.12.2024, 11:39 Uhr
Wenig-vorweihnachtliche-Stimmung-herrscht-derzeit-im-Hanauer-Rathaus-Im-Streit-mit-dem-Statistischen-Landesamt-um-die-wahre-Einwohnerzahl-hat-die-Stadt-jetzt-Widerspruch-gegen-den-Bescheid-der-Behoerde-eingelegt
(Foto: DPA)

Hanau hat große Zweifel an einer statistischen Erhebung. Die Stadt legt Widerspruch gegen den Bescheid des Landesamtes ein. Ein Schritt mit Signalwirkung für andere Kommunen? Es geht um viel Geld.

Hanau (dpa/lhe) - Hanau lässt im Streit mit dem Statistischen Landesamt um die wahre Einwohnerzahl nicht locker. Die Stadt legt offiziell Widerspruch gegen das von der Behörde ermittelte Ergebnis ein, das nach ihrer Ansicht viel zu niedrig ausgefallen ist.

Laut Zensus zählte Hanau am Stichtag 15. Mai 2022 nur noch 93.632 statt 100.307 Einwohner, wie aufgrund der sogenannten Bevölkerungsfortschreibung angenommen worden war. Damit verlor Hanau seinen Status als Großstadt vorerst. Bei einer geringeren Einwohnerzahl drohen auch finanzielle Nachteile.

"Die Zahl ist falsch", sagte Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). "Der Stadt werden in rund zehn Jahren etwa 100 Millionen Euro entzogen." Der Magistrat schulde es der Bürgerschaft, sich zu wehren.

Der Zensus wird üblicherweise alle zehn Jahre erhoben, der nächste wäre somit 2032 an der Reihe. Zugleich fordert Hanau die Behörde auf, die amtliche Einwohnerzahl bis zur Rechtskraft des Bescheids nicht mit den von ihr für falsch gehaltenen Daten des Zensus 2022 fortzuschreiben.

"David gegen Goliath"

Kaminsky sprach von einem Kampf zwischen "David und Goliath", wobei Hanau nach seiner Ansicht die Rolle des David innehat. Er erneuerte den Vorwurf, die beim Zensus angewandte Methodik sei fehlerhaft und das Vorgehen des Landesamtes intransparent. Die Suche nach möglichen Fehlerquellen sei Hanau nicht möglich gewesen, da die Stadt keine Akteneinsicht bekommen habe.

Das Hessische Statistische Landesamt (HSL) hingegen hält das angewandte statistische Verfahren für wissenschaftlich fundiert und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Es hatte bislang deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht in dieser Angelegenheit das letzte Wort gesprochen ist.

Der Widerspruch aus Hanau werde nun geprüft, teilte die Behörde auf dpa-Anfrage mit. Aufgrund des laufenden Verfahrens könne derzeit keine weitere Auskunft erteilt werden. Grundsätzlich sei es so, dass "Widersprüche, Anhörungen und Klagen gegen die vom Zensus festgestellte Bevölkerungszahl keine aufschiebende Wirkung auf die Veröffentlichung der revidierten Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung haben".

Auch Gießen, Fulda und Marburg mit großen Verlusten

Kaminsky, Bürgermeister Maximilian Bieri (SPD) und Stadträtin Isabelle Hemsley wiesen vor Journalisten darauf hin, dass im Zensus auffälligerweise die sogenannten Sonderstatusstädte Marburg, Gießen und Fulda genau wie Hanau die größten prozentualen Einwohnerverluste auf dem Papier hinnehmen mussten. Hier könne es einen Fehler in der angewandten Formel geben.

Hanau prescht mit seinem Schritt nun voran. "Wir haben viele Kommunen in Deutschland, die uns die Daumen drücken", sagte der OB. Hemsley ergänzte: "Wir gehen den Weg vielleicht auch für andere Kommunen." Hanau steht laut Kaminsky "im engsten Austausch" mit Gießen, Fulda und Marburg.

"Jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger zählen"

Mit dem Widerspruch ist nun das HSL am Zug. Komme von dort keine Reaktion, könne Hanau in spätestens drei Monaten die nächsten Schritte einleiten, erklärte der Rechtsbeistand der Stadt, Olaf Otting. In dem von ihm verfassten 15 Seiten langen Widerspruch setzt er sich auch mit dem HSL-Verweis auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil auseinander und kommt zu dem Schluss: "Die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts immunisiert nicht gegen Fehler bei der Durchführung."

Im Streit mit dem Landesamt für Statistik wäre Hanau Kaminsky zufolge bereit, "tatsächlich jeden einzelnen Bürger und jede einzelne Bürgerin zu zählen und das auch zu finanzieren". Die Stadt hatte nach eigenen Angaben zum Stichtag des Zensus am 15. Mai 2022 laut eigenem Melderegister 102.934 Einwohner, zum Stichtag 30. November 2024 waren es demnach 107.279.

Quelle: dpa

Regionales