Rheinland-Pfalz & SaarlandU-Ausschuss geht in Verlängerung - Linnertz erneut geladen

Die 41. öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Ahrflut sollte die letzte werden. Aber jetzt geht es am Donnerstag weiter. Thema ist wieder der umstrittene Urlaub der Ex-ADD-Vizepräsidentin.
Mainz (dpa/lrs) - Mit der vierten Vernehmung des für Katastrophenschutz zuständigen ADD-Präsidenten Thomas Linnertz geht die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss zur Ahrflut in die Verlängerung. Der Behördenchef wird auf Initiative der AfD-Fraktion am Donnerstag (27. April) zum umstrittenen USA-Urlaub seiner ehemaligen Stellvertreterin kurz nach der Katastrophe befragt. Das kündigte der Vorsitzende des Ausschusses, Martin Haller, am Freitag im Mainzer Landtag an. Die 41. öffentliche Sitzung hatte eigentlich die letzte sein sollen. Neben dem Urlaub der ehemaligen ADD-Vize ging es vor allem um die Frage, ob angesichts der Hochwassergefahrenkarten und Pegelprognosen die Katastrophe im Sommer 2021 mit mindestens 134 Toten nicht absehbar war.
Gutachter Christoph Mudersbach von der Hochschule Bochum sagte, das Bemühen um die Evakuierung der Menschen an der Ahr hätte schon am Nachmittag der sich anbahnenden Katastrophe in den Vordergrund gestellt werden müssen. "Am 14.7. war am Pegel Müsch zwischen 15 und 17 Uhr die Katastrophe im Fluss schon da", sagte der Fachmann. Es sei klar gewesen, dass höchstwahrscheinlich ein schlimmeres Hochwasser erreicht würde als im Durchschnitt alle 100 Jahre - und dies wahrscheinlich bis zur Mündung der Ahr bei Sinzig.
"Man musste gegen 15, 16 Uhr davon ausgehen, dass entlang der Ahr mindestens die Flächen" überflutet würden, die auf den gesetzlich vorgeschriebenen Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten für ein hundertjähriges oder noch selteneres Ereignis eingezeichnet seien, sagte der Professor vom Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen. Ein Landrat oder Feuerwehrmann könne diese Karten allerdings nicht nutzen. Dazu seien zusätzlich wasserwirtschaftliche Fachinformationen notwendig, etwa über den Ablauf des Wassers.
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 waren im Ahrtal mindestens 134 Menschen ums Leben gekommen. Hunderte Menschen wurden verletzt, Tausende Häuser zerstört. Die ADD hatte am 17. Juli die Einsatzleitung übernommen.
Als zweiter Sachverständiger sagte der selbstständige Fachmann für Risk-Management und ehemalige Feuerwehrmann, Christian Brauner, anhand der Gefahrenkarten für ein außergewöhnliches Hochwasser, das seltener als alle 100 Jahre vorkommt, sei zu erkennen gewesen, dass in einem solchen Fall Hunderte bis Tausende betroffen wären. "Ich hätte mir sehr viele Sorgen um die Camping-Plätze und deren Nutzer gemacht."
Nach den Empfehlungen des Landes hätten die Gefahrenkarten mit Informationen von vor Ort ergänzt werden müssen; wie, habe das Land aber nicht festgelegt, sagte der Gutachter. "Ich hatte den Eindruck, dass hier und da schon auf die Karten geschaut worden ist. Was die Konsequenz daraus war, wurde aber nicht dokumentiert", sagte der 65-Jährige über den Umgang der Kommunen damit. Die Alarm- und Einsatzpläne einiger Kommunen und des Kreises wiesen nach Einschätzung Brauners auch Mängel auf.
Umwelt-Staatssekretär Erwin Manz (Grüne) sagte, er sei am Abend der Flutkatastrophe davon ausgegangen, dass die Hochwassergefahrenkarten in die Einsatzpläne der Kommunen eingearbeitet worden seien und diese danach handelten. In seinem Ministerium sei am Abend darüber gesprochen worden, wer jetzt handeln müsse, sagte der Staatssekretär in seiner vierten Vernehmung. "Die Fachleute haben darauf hingewiesen, dass das jetzt der Moment ist, wo die Einsatzkräfte vor Ort handeln müssen."
Die Karten würden vom Landesamt für Umwelt vor allem für die Hochwasser-Vorsorge erstellt und fänden dann Eingang in die örtlichen Rahmen- und Einsatzpläne, sagte Manz. Diese stellten die Grundlage für das operative Handeln dar. "Wenn die Pläne erstellt werden und fachliche Informationen benötigt werden, werden die von uns geliefert." Details kenne er nicht. Die entscheidenden Informationen etwa zu den Evakuierungswegen gebe es nur vor Ort.
Zum Urlaub der ehemaligen Vizepräsidentin hatte der Leiter der Abteilung Zentrale Aufgaben bei der ADD, Wolfgang Konder, am Vormittag gesagt, diese sei keine Expertin für Katastrophenschutz gewesen. Während ihrer Abwesenheit seien Vertretungen organisiert gewesen, vor Ort sei gewährleistet gewesen, dass alle Aufgaben wahrgenommen würden. Daher sei ihr genehmigter Urlaub nicht widerrufen worden. Er habe sich auch mit ADD-Präsident Linnertz über den Urlaub seiner damaligen Vizepräsidentin kurzgeschlossen.
AfD-Obmann Michael Frisch sagte, in Kondors Aussage - der teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt wurde - sei unklar geblieben, warum die frühere ADD-Vizepräsidentin in die USA habe reisen dürfen, obwohl es einen dringenden Personalbedarf auch im Verwaltungsstab gegeben habe. Daher müsse Linnertz noch einmal gehört werden.
Gegen die Ex-ADD-Vizepräsidentin läuft ein Disziplinarverfahren. Sie wird verdächtigt, einen dienstlichen Anlass vorgetäuscht zu haben, um damals privat trotz der Corona-Beschränkungen in die USA reisen zu können.