Collinas Erben

"Collinas Erben" reden Klartext Dolls Groll auf Gräfe ist peinlich

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Manuel Gräfe zeigt sich gesprächsbereit - das interessiert Thomas Doll allerdings wenig.

(Foto: imago images / Krieger)

Hannovers Trainer Thomas Doll zeigt sich in der Fußball-Bundesliga als schlechter Verlierer und lässt den Schiedsrichter einfach stehen. Ein Dortmunder muss erfahren, dass die "Schutzhand" nicht vor Strafe schützt, und ein Berliner handelt sich eine unnötige Rote Karte ein.

Die Bundesligapartie zwischen dem FC Augsburg und Hannover 96 (3:1) am Samstag war gerade beendet, da kam es zu einem ungewöhnlichen Rollentausch. Üblicherweise kommt der Vorwurf der Arroganz aus der Trainergilde und richtet sich gegen die Schiedsrichter, zumindest gegen einige von ihnen. Häufig heißt es dann, die Unparteiischen seien zu wenig gesprächsbereit und bügelten Wortmeldungen bisweilen herablassend ab. Diesmal jedoch war es umgekehrt.

Collinas Erben

"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.

Manuel Gräfe, der Referee des Kellerduells, hatte von sich aus den Dialog mit Hannovers Trainer Thomas Doll gesucht, nachdem dieser ihn mit den Worten "deinetwegen haben wir verloren" für die Niederlage seines Teams verantwortlich gemacht hatte. So berichtete es jedenfalls der Schiedsrichter. Doll brach das Gespräch mit diesem auf dem Rasen jedoch ab, ging gestikulierend in Richtung Kabine und empörte sich in den Katakomben des Stadions vor zahlreichen Medienvertretern lautstark, Gräfe habe ihn minutenlang "vollgelabert" und "vollgesabbelt". Das wiederum fand der Unparteiische "arrogant".

In der Sache ging es vor allem um zwei Entscheidungen des Referees, die den Gästen sauer aufgestoßen waren: Zum einen um den in der Tat zu früh erfolgten Pfiff in der 51. Minute, durch den der Hannoveraner Nicolai Müller um eine sehr gute Vorteilssituation gebracht wurde. Zum anderen um die Freistoßentscheidung für Augsburg in der 78. Minute, aus der das Führungstor für die Gastgeber zum 2:1 resultierte. Dass der Schiedsrichter in dieser Situation nicht auf Foul an Hannovers Oliver Sorg entschied, als dieser nach einem geringfügigen Kontakt fiel, sondern im Gegenteil den Augsburgern einen Freistoß zusprach, weil Sorg den Ball in der Erwartung eines Pfiffs mit der Hand festgehalten hatte, war allerdings vollkommen nachvollziehbar.

Dolls eigentümliche Wahrnehmung der Wirklichkeit

Es spricht jedenfalls für Manuel Gräfe, dass er nach dem Schlusspfiff auf Thomas Doll zuging, um das Gespräch zu suchen. Und es spricht, bei allem Verständnis für die Angespanntheit in einer sportlich sehr schwierigen Situation, gegen den Coach, dass er selbst auf der Pressekonferenz noch einmal gegen den sehr erfahrenen und geschätzten Referee nachkartete. "Mittlerweile nimmt sich der eine oder andere vielleicht ein bisschen größer, als er ist", sagte Doll. Für Gräfe war das ein Unding: "Ich finde immer, man sollte vernünftig und respektvoll miteinander umgehen. Wenn ich mit ihm in einen Dialog treten möchte und er das als ‚labern‘ bezeichnet, ist das schon die erste Form der Arroganz." In der Tat.

Dass Doll auch noch forderte, der Unparteiische müsse "auch mal von seinem hohen Ross runterkommen", verdrehte die Wirklichkeit auf peinliche Weise vollends. Immerhin scheint die Angelegenheit nun aber für beide Seiten abgeschlossen zu sein: Er werde Manuel Gräfe beim nächsten Mal trotzdem die Hand geben, sagte Doll. Der Schiedsrichter verzichtete derweil auf einen Vermerk im Spielbericht: "Da war ja keine Beleidigung dabei, das war Emotion, die gehört zum Fußball dazu. Für mich ist es vergessen. Für mich ist es abgehakt."

Die "Schutzhand" schützt nicht vor Strafe

In Berlin machte während des Spiels von Hertha BSC gegen Borussia Dortmund (2:3) unterdessen ein Begriff die Runde, der fast schon in Vergessenheit geraten zu sein schien oder allenfalls noch im Amateurfußball zu hören ist, nämlich "Schutzhand". Gemeint ist damit ein Handspiel, zu dem ein Spieler greift, um auf diese Weise zu verhindern, dass ein empfindlicher Körperteil getroffen wird, etwa das Gesicht oder der Unterleib. Weil der entsprechende Reflex nur zu verständlich ist, gehen manche davon aus, dass ein solches Handspiel grundsätzlich nicht bestraft wird.

Das aber stimmt nicht und stimmte nie - "Schutzhand" ist schlicht kein Argument für einen Freispruch und taucht auch nirgendwo in den Regeln auf. Der Dortmunder Julian Weigl musste das am Samstagabend erfahren, als er nach 35 Minuten im eigenen Strafraum seinen rechten Arm hochriss, um den Ball nicht voll ins Gesicht zu bekommen. Eine ganz natürliche Reaktion - die im Fußball jedoch als unnatürliche Armhaltung gewertet wird. Weigl hatte seinen Arm in die Schussbahn des Balles geführt und die Kugel so aufgehalten. Regeltechnisch eindeutig ein absichtliches Handspiel, weshalb Schiedsrichter Tobias Welz nicht mit dem Elfmeterpfiff zögerte. Und weil die Spieler des BVB wissen, dass es "Schutzhand" nicht gibt, hielt sich ihr Protest auch in Grenzen.

Glück hatte der BVB, dass es keinen zweiten Strafstoß für die Hausherren gab. Nach knapp einer Stunde nahm Ondrej Duda bei einem Konter der Hertha einen Steilpass auf und zog mit dem Ball in den Strafraum der Gäste, verfolgt von Abdou Diallo. Der Dortmunder Verteidiger versuchte im Laufduell, mit einem Ausfallschritt den Ball zu erreichen, verfehlte ihn jedoch und hinderte dadurch den Berliner, der nur noch Torwart Roman Bürki vor sich hatte, gleichzeitig am Weiterlaufen. Parallel dazu kam es zu einer leichten Berührung im Oberkörperbereich. Duda ging zu Boden - und Referee Welz ließ weiterspielen.

Hertha hätte einen weiteren Elfmeter bekommen sollen

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Ibisevic fliegt mit Rot.

(Foto: imago images / Matthias Koch)

Womöglich führte die Tatsache, dass es keinen wirklich klaren und deutlichen Kontakt gab und der Herthaner zudem relativ leicht zu Boden ging, zum Entschluss des Unparteiischen, keinen weiteren Elfmeter zu verhängen. Dagegen ließe sich allerdings einwenden, dass Diallo den Ball nicht spielte und es angesichts des recht hohen Tempos von Duda keines übermäßig starken Impulses bedurfte, um den Sturz herbeizuführen. Ein Strafstoß wäre deshalb die bessere Entscheidung gewesen. Der Video-Assistent empfahl gleichwohl kein Review - wohl weil der Szene, auch unter Berücksichtigung der nicht sonderlich kleinlichen Spielleitung von Welz, die letzte Eindeutigkeit abging, um von einem klaren und offensichtlichen Fehler zu sprechen.

Unstrittig waren dagegen die beiden Feldverweise gegen die Berliner Jordan Torunarigha, der in der 85. Minute nach einem taktischen Foul die Gelb-Rote Karte sah, und Vedad Ibisevic, der sich in der Nachspielzeit zu einer besonders unnötigen Aktion hinreißen ließ: Weil er sich erkennbar darüber ärgerte, dass sich Roman Bürki mit der Spielfortsetzung Zeit ließ, warf er einen zweiten Ball, den die Dortmunder zuvor aufs Feld befördert hatten, auf den Keeper und traf ihn am Kopf. Der Unparteiische, dem diese Aktion entgangen war, sah sich die Szene auf Empfehlung seines Video-Assistenten in der Review Area an und zögerte daraufhin nicht mit der Roten Karte.

Hätte es auch dann einen Platzverweis gegeben, wenn Bürki nur am Arm getroffen worden wäre? In den Regeln heißt es unter der Rubrik "Vergehen durch Werfen von Gegenständen (inkl. Ball)", dass sich die Bestrafung nach der Schwere des Vergehens richtet: Für ein rücksichtsloses Werfen gibt es die Gelbe Karte, für ein übermäßig hartes die Rote. Dabei spielt es natürlich eine Rolle, wo und mit welcher Heftigkeit der Gegner getroffen wird. Es ist gut möglich, dass Ibisevic nicht auf Bürkis Kopf gezielt hat. Aber dort ist der Ball nun mal gelandet. Und dieses Risiko trug und verantwortete ausschließlich der Hertha-Stürmer.

Quelle: ntv.de

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