Fußball-WM 2018

Medien ziehen WM-Bilanz "Russland hat ein Rebranding erhalten"

Russlands Zeitungen sehen positive Effekte der WM - mit einer Ausnahme.

Russlands Zeitungen sehen positive Effekte der WM - mit einer Ausnahme.

Am Morgen nach dem WM-Finale ziehen Russlands Medien Bilanz - sportlich, politisch und gelegentlich auch moralisch. Insgesamt fällt das Fazit meist positiv aus - nur ein großes Blatt fällt mit einem rassistischen Kommentar aus der Reihe.

Entscheidend ist am Montagmorgen nicht nur auf dem Platz. Klar, die großen russischen Zeitungen zeigen feiernde Franzosen und traurige Kroaten, hier und da strahlt einem auch noch ein Belgier entgegen. Der Schwerpunkt der Berichterstattung aber liegt nach einem Monat Fußball auf dem großen Ganzen.

"Wir haben verstanden, dass es bei uns Fußball gibt," schreibt die "Iswestija" auf ihrer Seite eins – ein Zitat aus Wladimir Putins Abschlussrede über die Veränderung, die Russland in den vergangenen Wochen durchlaufen hat. Für ein Land, dessen Bewohner es gewohnt waren, sportliche Erfolge eher im Eishockey zu feiern, ist das keine Kleinigkeit. Auf den folgenden Seiten findet sich eine Vielzahl von Kommentaren und Stimmen zum Turnier, durchweg mit positivem Tenor: "Wiederholen und noch häufiger machen" - "Das haben die Russen geschafft" - "Jeder fühlt Stolz auf Russland", so heißen nur einige der Überschriften.

"Zeit, dass wir uns freuen", titelt schlicht die "Rossiskaja Gasjeta", deren Autor den Bogen vom Eröffnungsspiel zum Finale schlägt, die beide im Luschniki-Stadion stattfanden: "Wie viel ist in dieser kurzen Zeit doch geschehen. Und wie sehr diese Zeit doch uns verändert hat und die Einstellung der anderen zu uns." Einen kleinen Seitenhieb in Richtung der deutschen Fans erlaubt er sich beim Blick auf die Finalzuschauer im Stadion dabei auch: Im Gegensatz zu etwa den lebhaften Mexikanern seien Deutsche (wie auch Engländer) eher reserviert, tränken Bier und guckten vor sich hin. Ein möglicher Grund: "Der Unterschied zwischen ihren Erwartungen an die Weltmeisterschaft und der Realität entpuppte sich als so groß, dass sie offenbar noch gar nicht begriffen haben, was sie für ein Glück hatten, hier zu sein."

"Top-8 war verdient"

Die Wochenzeitung "Wersija" würdigt in einem ganzseitigen Artikel noch einmal die überraschende Leistung des russischen Teams. Von der "Nationalmannschaft der Träume" ist da die Rede, ihrer "bezaubernden Spielweise", und überhaupt: "Den Platz unter den besten Acht hat unser Team sich verdient, egal, was manche Kritiker sagen." Russland habe jetzt eine Mannschaft, die gegen die Großen des Fußballs bestehen könne. Nun sei wichtig, wie man dieses Team mit Blick Richtung Zukunft weiterentwickle.

Nicht für jedes Blatt ist das Ende der WM eine Meldung für die Titelseite. Die Zeitung "Vedomosti" zum Beispiel, deren Schwerpunkt auf Wirtschafts- und Politikberichterstattung liegt, macht auf mit einem Ausblick auf das Gipfeltreffen in Helsinki (bei dem lustigerweise Wladimir Putin und Donald Trump genau über der Ausverkaufs-Anzeige eines Bekleidungsgeschäfts im Moskauer Stadtzentrum posieren). Schlägt man das Blatt auf, bietet sich jedoch ein anderes Bild: seitenweise Analysen zur Weltmeisterschaft.

In einem doppelseitigen Interview kommt dort Aleksei Sorokin zu Wort. Unter der Überschrift "Russland hat ein Rebranding erhalten" analysiert der Generaldirektor des WM-Organisationskomitees, Russland habe "eine völlig neue Positionierung auf der Welt erhalten, eine neue Haltung sich selbst gegenüber." Das gelte auch mit Blick auf andere Länder: "Schon jetzt ist klar, dass wir endlich die Chance hatten, die Wahrheit über unser Land zu erzählen und die Vorurteile unserer Nachbarn (…) gegenüber Russland zu beseitigen." Man habe sich als gastfeundliches Land gezeigt, so Sorokin weiter, nun müsse man abwarten, wie sich dieser veränderte Blick auf Russland zukünftig bemerkbar macht.

"Wie Afrika Europa besiegte"

Die Frage, was die WM Russland gebracht hat, beantworten einige Medien auch im ganz konkreten, finanziellen Sinn. Zum Beispiel die Nesawissimaja Gaseta: "Ein Meer von Bier, Hamburger, Fellmützen und Kokoschniks – Russland berechnet den Profit aus der WM," heißt es dort auf der Titelseite. Kokoschnik, das ist der traditionelle Kopfputz für Frauen, den viele Fans als Souvenir mit nach Hause nahmen, und auch sonst scheint die Kauflust der WM-Gäste ausgeprägt gewesen zu sein: 20 Prozent Steigerung bei Fußball-Souvenirs, viermal mehr vermietete Privatwohnungen - selbst, wenn man Barzahlungen rausrechnet, haben die Fans dem Bericht zufolge mehr als eine Milliarde Rubel (13,75 Millionen Euro) ausgegeben. Der Nesawissimaja Gaseta zufolge profizierten davon vor allem Moskau, St. Petersburg, Sotschi und Kasan.

Erwähnen muss man bei solch einer Presseschau auch einen unsäglichen Kommentar im Boulevardblatt "Komsomolskaja Prawda", der vor Nationalismus und Rassismus nur so trieft. Von Kroatien als "letzter weißer Mannschaft des Turniers" ist da die Rede, von schwarzen Migranten, die ganze Provinzen Frankreichs besetzt hätten, in denen man heutzutage kaum noch weiße Frauen treffe. Vor dem Turnier in Russland hatte es Befürchtungen gegeben, rassistische Äußerungen könnten die WM überschatten; dazu kam es nicht. Nun, am Tag nach dem Endspiels, bricht er sich wieder Bahn, in einem Artikel mit der Überschrift: "Wie Afrika Europa besiegte – ein Feiertag mit Tränen in den Augen".

Quelle: ntv.de

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