Kritik von ArbeitsrechtlernPläne zur Lockerung der Höchstarbeitszeit stoßen auf Widerstand

Bei gewerkschaftsnahen Arbeitsrechtlern stoßen die Pläne der Bundesregierung zur Aufweichung der gesetzlichen täglichen Höchstarbeitszeit auf scharfe Kritik. Das im Koalitionsvertrag von Union und SPD angekündigte Vorhaben liefe darauf hinaus, tägliche Höchstarbeitszeiten von über zwölf Stunden zu erlauben, erklärte das Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht (HSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Freitag. Überlange Arbeitszeiten seien wissenschaftlich belegt ein Risiko für die psychische und körperliche Gesundheit, bis hin zu Burnout, Schlaganfällen oder Krebs. Das Unfallrisiko steige stark. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie könne leiden.
Hintergrund ist die Ankündigung im Koalitionsvertrag, statt einer täglichen künftig eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu ermöglichen. Im Gesetz ist eine werktägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden verankert. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen es auch bis zu zehn Stunden täglich sein. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte dies als ein Instrument für mehr Freiraum bezeichnet. "Wir geben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Betrieben mehr Flexibilität durch eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit", sagte Merz in einer Regierungserklärung.
"Eine Arbeitszeitderegulierung, die Erkenntnisse von Arbeitsmedizin und Arbeitsforschung ausblendet und an der sozialen Realität vorbeigeht, dürfte wirtschaftlich sogar kontraproduktiv wirken", erklärte Expertin Amélie Sutterer-Kipping. "Sie würde gerade jene Entwicklungen bremsen, die in den vergangenen Jahren wesentlich zu Rekordwerten bei Erwerbstätigkeit und Arbeitsvolumen beigetragen haben, und gleichzeitig Probleme bei Gesundheit und Demografie verschärfen." Rekordwerte bei der Erwerbstätigenzahl und beim Arbeitszeitvolumen insgesamt seien auch darauf zurückzuführen, dass mehr Frauen erwerbstätig seien.