
An den Finanzmärkten steigt die Nervosität.
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Bisher haben sich Demokraten und Republikaner in den USA immer rechtzeitig geeinigt und die Schuldengrenze angehoben. Die Zuversicht, dass das auch diesmal gelingt, schwindet. Die Finanzindustrie spielt Krisenszenarien durch.
Knapp eine Woche vor einem möglichen Zahlungsausfall der USA bereitet sich die Wall Street auf ein Finanz-Armageddon vor. Die größte US-Bank JP Morgan Chase etwa hat extra einen "War room" eingerichtet, wie ihr Chef Jamie Dimon sagte. In diesem Krisenzentrum treffen sich die Banker seit vergangenem Freitag einmal täglich, um mögliche Krisenszenarien zu besprechen. Wenn sich der Streit weiter hinziehe, werde die Zahl auf bis zu drei Treffen erhöht. "Wir müssen sehr vorsichtig sein", sagte er dem Finanzportal "Bloomberg". Ein Zahlungsausfall könne eine finanzielle Panik auslösen.
Das Weiße Haus und die oppositionellen Republikaner streiten darüber, unter welchen Bedingungen die 31,4-Billionen-Dollar-Schuldengrenze angehoben wird. In den USA entscheidet sich das Parlament, wie viel Geld sich der Staat leihen darf. Das derzeit geltende Limit ist bereits erreicht, die Staatskasse damit eigentlich leer. Das Finanzministerium nutzt deshalb so genannte "außerordentliche Maßnahmen", also kreative finanzielle Tricks, um so lange wie möglich trotzdem finanziellen Spielraum zu behalten.
Wie lange das noch gelingt, ist unklar. US-Finanzministerin Janet Yellen warnt, dass die US-Regierung die Rechnungen des Bundes ohne eine Anhebung der Schuldenobergrenze nur noch bis zum 1. Juni bezahlen könne. Es ist aber durchaus möglich, dass der US-Regierung doch erst etwas später das Geld ausgeht.
Was dann genau passieren würde, ist unklar. Wenn die USA die Schuldengrenze nicht anheben, können sie sich kein Geld leihen, um ihre Rechnungen zu begleichen. Es fehlt dann an Geld etwa für Sozialprogramme, Rentenzahlungen oder die Gehälter von Beamten. Ein Alptraum für die internationalen Finanzmärkte wäre es, wenn die USA die Verpflichtungen aus Staatsanleihen nicht mehr vollständig erfüllen könnten und diese dann plötzlich an Wert verlieren.
Bankenkrise als Warnung
Der Markt für US-Staatsanleihen hat ein Volumen von rund 24 Billionen Dollar, sie sind das Fundament des globalen Finanzsystems und werden häufig als Sicherheiten etwa für Kredite hinterlegt. Wie wichtig sie sind, hat die jüngste Bankenkrise in den USA gezeigt. Regionale Finanzinstitute hatten den Löwenanteil der Kundengelder in lang laufende US-Staatsanleihen gesteckt. Als diese wegen des allgemeinen Zinsanstiegs an Wert verloren, mussten Banken die Anleihen in ihren Bilanzen niedriger bewerten - und gerieten damit in Schieflage.
Bei einem Zahlungsausfall der USA könnten Finanzinstitute ihre Geschäftspartner auffordern, die von den Zahlungsausfällen betroffenen und als Sicherheit hinterlegten Anleihen sofort zu ersetzen. Das kann zu Verwerfungen am Anleihemarkt führen und sich schnell auf die Derivate-, Hypotheken- und Rohstoffmärkte ausweiten.
Wegen solcher Risiken war jahrzehntelang die Erhöhung der Schuldengrenze eine Formalie. In den letzten Jahren allerdings wurde der Streit darüber immer unerbittlicher geführt. Bislang wurde zwar immer noch rechtzeitig ein Kompromiss gefunden. Doch angesichts der zunehmenden Polarisierung der US-Politik ist es keine ausgemachte Sache, dass man sich auch diesmal wieder einigen wird.
Noch sind die Finanzmärkte von einer Panik weit entfernt. Der deutsche Leitindex DAX liegt nicht weit von seiner historischen Bestmarke entfernt, die er vergangenen Freitag erreicht hatte. Der US-Leitindex S&P 500 hat in diesem Jahr bisher knapp acht Prozent zugelegt.
"Anleger verlieren die Geduld"
Doch die Zuversicht an den Börsen bröckelt angesichts der verhärteten Fronten. Der DAX hat diese Woche rund zwei Prozent an Wert verloren. "So langsam, aber sicher verlieren die Anleger die Geduld und ihren Optimismus", sagt Konstantin Oldenburger, Analyst beim Broker CMC Markets.
Auch die Finanzindustrie wird zunehmend nervös. Die Chefin der Citigroup, Jane Fraser, nannte die aktuelle Debatte über die Schuldenobergrenze "beunruhigender" als frühere. Brian Moynihan, der Chef der Bank of America, drückt es so aus: "Man hofft, dass es nicht passiert. Aber Hoffnung ist keine Strategie - also bereitet man sich vor."
Vor diesem Hintergrund steigen die Versicherungsprämien gegen den Ausfall von US-Staatsanleihen. Banken, Makler und Handelsplattformen wappnen sich für mögliche Turbulenzen und spielen Krisenszenarien durch. Zudem wollen sie sicherstellen, dass genügend Personal und Liquidität vorhanden sind und die technischen Systeme bereitstehen, um hohe Handelsvolumina zu bewältigen.
Top-Priorität der Finanzindustrie ist aber, eine US-Pleite zu verhindern, indem sie vor den Gefahren warnen. Damit erhöhen sie den Druck auf die Politik, unbedingt eine Lösung zu finden. "Ich denke zwar nicht, dass es zu [einem Zahlungsausfall] kommen wird. Denn das wäre katastrophal", so JP-Morgan-Chef Dimon. "Je näher man ihm aber kommt, desto panischer wird man".
Quelle: ntv.de, mit rts/dpa