Maschmeyer zu USA vor der Wahl Bei manchen gilt nicht "America first", sondern "mein Gewinn zuerst"
16.10.2024, 17:09 Uhr Artikel anhören
Investor Carsten Maschmeyer kennt die USA und vor allem das Silicon Valley genau. Er ist an fast 50 amerikanischen Startups beteiligt. Im Interview mit ntv.de erzählt er, warum manche Gründer und Investoren Donald Trump unterstützen, auch wenn das ihren Werten widerspricht.
ntv.de: Sie kommen gerade aus den USA, aus dem Silicon Valley. Wie hat sich die Stimmung dort vor den Wahlen verändert?
Carsten Maschmeyer: Früher war die Bay Area, also San Francisco und das Silicon Valley, komplett demokratisch. Viele Menschen dort, vor allem die Gründer, Gründerinnen, ihre Mitarbeitenden und auch ihre Investoren sind selbst Migranten in erster oder zweiter Generation. Die standen alle aufseiten der Demokraten. Und das hat sich teilweise verändert. Es ging los mit Peter Thiel, einem sehr prominenten, deutschstämmigen Investor, der sich vor einigen Jahren klar zu Trump bekannt hatte. Dann kam Elon Musk dazu, der ja Trump zuvor lange kritisiert hatte. Und jetzt stellen sich auch erste Inhaber von großen Investitionsfonds auf die Seite der Republikaner, Marc Andreessen etwa vom sehr einflussreichen Venture-Fonds Andreessen Horowitz.

Carsten Maschmeyer ist Geschäftsführer der Maschmeyer Group, die in junge Unternehmen unter anderem in den USA und Deutschland investiert. Einem großen Publikum ist er als Jurymitglied und Investor der Vox-Show "Die Höhle der Löwen" bekannt.
(Foto: picture alliance / Bonn.digital)
Was bewegt diese Menschen, die Seiten zu wechseln?
Bei vielen ist das keine ideologische Entscheidung. Andreessen hat gesagt, er hasse sich dafür, aber er glaube, dass Trump so egoistisch sein werde, dass er für Kapitalgeber und Unternehmer und Investoren vor allem steuerlich etwas tun wird. Und Andreessen sieht sich seinem Unternehmen, seinem Fonds und seinen Investoren verpflichtet. Interessant ist, dass sein Partner Ben Horowitz sich anders positioniert. Der sagt, mit seinen Werten sei das nicht vereinbar, Trump zu unterstützen. Horowitz spendet viel Geld für Kamala Harris.
Gibt es da Unterschiede zwischen den Chefs, den Investoren und den Mitarbeitern?
Es gibt zwar nicht mehr diese Geschlossenheit in der Branche, wie noch vor einigen Jahren. Aber man sieht, dass die Beschäftigten nach wie vor viel häufiger und viel mehr an Harris als an Trump spenden. Selbst in Elon Musks Firmen, also Tesla, SpaceX oder Twitter, das sich nun X nennt, spenden die Mitarbeitenden viel häufiger an Harris.
Was sind die ausschlaggebenden Themen für Gründer und Investoren? Was spricht sie bei Trump an, den die meisten zuvor ja nicht unterstützt haben?
Für Investoren und Gründer ist das Thema Kapitalertragsteuer zentral. Die liegt im Moment de facto häufig bei null. Wenn jemand sein Unternehmen verkauft und den Gewinn neu investiert, sich zum Beispiel eine Immobilie kauft, zahlt er keine Steuern. Das will Harris ändern. Sie will auch die Unternehmenssteuern von 21 auf 28 Prozent erhöhen. Trump dagegen, der diese Steuer selbst in seiner ersten Amtszeit auf 21 Prozent gesenkt hatte, will sie noch einmal senken, auf 15 Prozent. Dann geht es beispielsweise um die Regulierung von Künstlicher Intelligenz. Harris möchte mehr Datenschutz und Regulierung durchsetzen, Trump nicht. Die Trump-Unterstützer im Silicon Valley sind eher keine ideologisch überzeugten Rechten, sondern rationale, kurzfristig denkende, taktische Wähler.
Früher einmal hatten die Gründer im Silicon Valley den Anspruch, mit ihren Startups die Welt zu verbessern, die Menschheit voranzubringen. Jetzt wählen sie aus steuertaktischen Gründen?
Ja, diesen Anspruch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, hatten praktisch alle früher im Silicon Valley. Bei einigen - ich wiederhole, dass das eine Minderheit ist – ist das an die zweite Stelle getreten. Bei denen gilt nicht "America first", sondern "mein Unternehmen zuerst", "mein Gewinn zuerst". Die wählen aus taktischen, finanzoptimierenden Gründen Trump, obwohl das ihren politischen Überzeugungen widerspricht.
Der Wahlkampf in den USA ist sehr polarisierend. Spüren Sie diese Spannung beispielsweise in den Startups, an denen Sie beteiligt sind? Gibt es da Konflikte?
Je stärker die Gründer und auch deren Mitarbeitende auf Technologie und Wissenschaft fokussiert sind, desto rationaler sind die auch bei politischen Themen. Die lassen sich von dem emotionalen Wahlkampf nicht so mitreißen. Da wird in den Meetings nicht heiß über Politik diskutiert. Die große Mehrheit, die ja weiterhin demokratisch orientiert ist, hat vor Trump nicht mehr so viel Angst wie noch vor acht Jahren. Zudem führt diese Spaltung infolge des Zweiparteiensystems mit den Wahlmännern dazu, dass die meisten Menschen in homogenen Blasen leben. Der Wahlkampf konzentriert sich auf wenige entscheidende Swing States. Kalifornien haben Trump und seine Leute weitgehend aufgegeben. Ich habe beispielsweise kaum Wahlplakate gesehen.
Das heißt, in den Unternehmen wie die, an denen Sie beteiligt sind, spiegelt sich die gesellschaftliche Spaltung nicht wider?
Nicht so stark. Die Menschen in diesen Startups sind sehr aufgeklärt, sehr progressiv. Die sind für ein Recht auf Abtreibung beispielsweise und für eine lockere Migrationspolitik. Trump hat seine Anhängerschaft in der 'Old Economy', insbesondere bei Arbeitern, die sich abgehängt und von der Politik vernachlässigt fühlen - was aus meiner Sicht bizarr ist. Trump präsentiert sich als Held der kleinen Leute und Arbeiter, während sein Wirtschaftsprogramm daraus besteht, die Steuern für seine Unternehmer- und Investorenfreunde zu senken.
Diese Wahl wird von beiden Lagern häufig als historisch als mögliche Zäsur für die USA dargestellt. Was steht aus Sicht Ihrer Geschäftspartner und Mitarbeiter in den USA auf dem Spiel?
Historische Zäsur? Das war vor acht Jahren der Fall, als Trump das erste Mal gewählt wurde. Die Community, in der ich mich gut auskenne in den USA, die Investoren, die Tech-Unternehmer, die Gründerinnen und Gründer, die haben nicht mehr so viel Angst wie damals. Die Stimmung ist anders als 2016. Man ist gelassener, weil man ja Trump schon einmal vier Jahre überstanden hat.
Mit Carsten Maschmeyer sprach Max Borowski
Quelle: ntv.de