Thames Water vor Verstaatlichung Britischem Wasserversorger droht Insolvenz
28.06.2023, 18:17 Uhr Artikel anhören
Opfer einer gescheiterten Privatisierungspolitik: Thames Water versorgt fast 30 Prozent der Briten mit Trinkwasser.
(Foto: REUTERS)
Die Leitungen sind leck, aber die Rechnungen steigen: Der größte Wasserversorger Großbritanniens taumelt auf eine Pleite zu. Die Regierung arbeitet hektisch an einem Rettungsplan. Notfalls wird das in den 80er Jahren privatisierte Unternehmen verstaatlicht, heißt es in London.
Die britische Regierung will den in eine Krise geschlitterten Versorger Thames Water notfalls durch eine vorübergehende Rückkehr in öffentliches Eigentum retten. Der unter Milliarden-Schulden ächzende Konzern, der rund 27 Prozent der britischen Bevölkerung mit Wasser versorgt, müsse unter allen Umständen aktiv bleiben, sagte die zuständige Ministerin Rebecca Pow.
Die Wasserversorger in England und Wales gerieten zuletzt unter öffentlichen Druck, nachdem vermehrt Abwasser in Meer und Flüsse geleitet worden war. Auch Lecks sorgen für Kritik. Thames Water verliert mehr Wasser als jedes andere britische Unternehmen. Es gehe täglich das Äquivalent von bis zu 250 olympischen Schwimmbecken verloren, rechnete die BBC vor. Zudem steigen die Rechnungen für die Verbraucher.
Die Branche war Ende der 1980er Jahre wie zahlreiche andere Sektoren der öffentlichen Daseinsvorsorge in Großbritannien privatisiert worden. Nun werde erwogen, Thames Water unter eine Sonderverwaltung zu stellen, was eine Überführung des Unternehmens unter staatliche Kontrolle bedeuten könnte, berichtete der Sender Sky.
Magere Investitionen, hohe Boni
Umweltgruppen hatten den privatisierten Wasserversorgern vorgeworfen, nur wenig in ihre Infrastruktur zu investieren. Zudem hatten Dividendenzahlungen und hohe Boni für Manager in der Vergangenheit für öffentlichen Ärger gesorgt. Der Preis für die verfehlte Privatisierungspolitik dürfe nun nicht von der Öffentlichkeit übernommen werden, warnte die oppositionelle Labour-Partei. Thames Water, das etwa Pensionsfonds zu seinen Eignern zählt, hat einen Schuldenberg von rund 14 Milliarden Pfund (16 Milliarden Euro) aufgetürmt. Die Wasseregulierungsbehörde Ofwat mahnte einen glaubwürdigen Restrukturierungsplan an.
Erst am Dienstag war Thames-Water-Chefin Sarah Bentley mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Zuvor hatte sie über zwei Jahre versucht, das Ruder herumzureißen. Zuvor war sie aufgefordert worden, wegen des schlechten Abwassermanagements auf ihre Boni zu verzichten. Sie habe das Versagen auf Entscheidungen des Unternehmens vor ihrer Zeit begründet, schrieb die BBC.
Die Lage bei Thames Water dürfte auch bei der Allianz auf Interesse stoßen. Der Münchner Versicherungsriese ist in einem Konsortium mit fünf anderen Infrastruktur-Investoren Partner von Thames Water beim Bau des "Thames Tideway Tunnel", einem 25 Kilometer langen Abwasserkanal mit 7,2 Meter Durchmesser unter der britischen Hauptstadt. Das 3,8 Milliarden Pfund teure Projekt soll im nächsten Jahr fertiggestellt sein.
Quelle: ntv.de, mau/rts