Bezahlbarer Wohnraum "Das ist eine der großen sozialen Fragen"
12.06.2018, 18:52 Uhr
Die private Immobilienwirtschaft soll bezahlbaren Wohnraum schaffen und nicht nur in das hochpreisige Segment investieren, fordert die Chefin des neuen Kommunalrats, Eva Lohse.
(Foto: imago/Seeliger)
Die deutsche Immobilienbranche gründet zusammen mit Bürgermeistern, Landräten und anderen Kommunalvertretern ein neues Gremium, um den Bau dringend benötigter Wohnungen voranzutreiben. Die Chefin des "Kommunalrats" und Ex-Präsidentin des Städtetags, Eva Lohse, erklärt im n-tv.de Interview, welche gemeinsamen Ziele Kommunen und Unternehmen verfolgen und wo sich die Interessen unterscheiden.
n-tv.de: Heute trifft sich unter Ihrer Leitung erstmals der neue Kommunalrat der Immobilienbranche. Verfolgen Kommunen und private Immobilienunternehmen überhaupt die gleichen Interessen?
Eva Lohse: Uns eint der Wunsch, für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Das ist eine der großen sozialen Fragen. Diese Herausforderung kann nur gemeistert werden, wenn die kommunale Ebene - denn dort werden die Wohnungen gebaut - und die Immobilienwirtschaft, die die Immobilien möglichst bezahlbar bauen muss, eng zusammenarbeiten. Sicher haben wir nicht in allen Punkten die gleichen Auffassungen. Aber gerade wenn es unterschiedliche Ansichten gibt, ist es wichtig, dass man sich austauschen kann.
Die Wunschliste der Immobilienbranche an Politik und Verwaltung ist lang: Möglichst viele Vorschriften und Regeln sollen vereinfacht oder ganz abgeschafft, Kosten gesenkt und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Welche Forderungen haben die Kommunen an die Unternehmen?

Eva Lohse leitet den neuen Kommunalrat der Immobilienbranche. Die CDU-Politikerin war von 2002 bis 2017 Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen und von 2015 bis 2017 Präsidentin des Deutschen Städtetags.
(Foto: picture alliance / Andreas Arnol)
Wir arbeiten für das gemeinsame Ziel, den Wohnungsbau voranzubringen. Die Kommunen möchten dabei, dass wir vor allem in Ballungsräumen bezahlbare Wohnungen bauen. Da geht es natürlich darum, dass die Immobilienwirtschaft sich auch in diesem Segment bezahlbarer Wohnraum einbringt und nicht nur in den höherpreisigen Segmenten.
Für viele bürokratische Hemmnisse, die laut Branchenvertretern den Wohnungsbau hemmen, sind Gesetze und Regelungen des Bundes und der Länder verantwortlich. Was können Kommunen da überhaupt machen?
Der Kommunalrat, der jetzt gegründet wird, ist ja ein Forum, in dem Immobilienwirtschaft und Kommunen sich direkt miteinander austauschen. Aber sowohl die Immobilienwirtschaft als auch die Kommunen mit ihren Spitzenverbänden arbeiten natürlich auch mit bei der Erarbeitung der bundes- und landesrechtlichen Rahmenbedingungen. Dabei geht es um das Ziel, die Wohnungsmärkte, die so angespannt sind, zu entspannen. Aber es geht auch darum, dass es gleichzeitig ländliche Räume gibt, die mit Abwanderung zu kämpfen haben und dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass das Wohnen dort attraktiv bleibt und dass wir in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse überall haben.
Was können solche Kommunen, die mit Leerstand und Abwanderung kämpfen, von einer Zusammenarbeit mit der privaten Immobilienwirtschaft erwarten?
Eine aktuelle Umfrage, die die Branche gestartet hat, zeigt, dass die Wohnzufriedenheit gerade in solchen Mittelzentren besonders hoch ist. Das ist doch auch für die Wohnungswirtschaft interessant - wenn die Infrastruktur entsprechend ausgebaut ist. Die Kommunen versuchen, die Voraussetzungen für attraktives Wohnen zu schaffen. Dabei ist der Ansprechpartner die Immobilienwirtschaft.
Als Flaschenhals bei den Genehmigungsverfahren gelten die Bauämter, denen es an Fachpersonal mangelt. In der Privatwirtschaft finden die händeringend gesuchten Ingenieure derzeit oft attraktivere Jobs. Sind die Kommunen überhaupt in der Lage, ihre Prozesse signifikant zu beschleunigen?
In der derzeitigen Wirtschaftslage mit der boomenden Konjunktur ist es sicherlich schwierig, für die Kommunen genügend Personal zu rekrutieren. Das hat auch mit der Bezahlung zu tun. Ich bin deshalb sehr froh, dass in der letzten Tarifrunde das Entgelt für genau diese Berufe noch einmal angehoben wurde, um den Öffentlichen Dienst attraktiver zu machen. Das ist sicher ein Thema, das wir im Kommunalrat bereden werden. Für die Unternehmen ist aber die entscheidende Frage: Wie können die Genehmigungen beschleunigt werden? Dahinter verbirgt sich auch die Frage: Wie ermöglichen wir zum Beispiel serielles Bauen? Wie können die unterschiedlichen Landesbauordnungen harmonisiert werden? Wie schaffen wir es, dass eine Genehmigung, die in einem Bundesland schon erteilt worden ist, als Vorlage für beschleunigte Genehmigungen in anderen Bundesländern gilt? Das sind Themen, die zur Beschleunigung der Prozesse dienen und die wir mit der Immobilienwirtschaft besprechen wollen.
Mit Eva Lohse sprach Max Borowski
Quelle: ntv.de