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OpenAI-Chef Altman ist zurück Der Traum von KI im Interesse aller ist geplatzt

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Altmans Rauswurf hat Schockwellen durch die Tech-Szene der USA, wenn nicht weltweit gesendet. Was genau passiert ist, darüber wird weiter gerätselt.

Altmans Rauswurf hat Schockwellen durch die Tech-Szene der USA, wenn nicht weltweit gesendet. Was genau passiert ist, darüber wird weiter gerätselt.

(Foto: dpa)

Einst wollte Sam Altman Künstliche Intelligenz zum Wohle der Menschheit schaffen. Dann kamen die Milliarden von Microsoft. Im Glaubenskrieg, der die KI-Szene spaltet, hat er sich durchgesetzt: schnelle Profite gehen nun vor Sicherheit.

Als Sam Altman vergangenen Freitag eine SMS seines Technologiechefs und Mitgründers Ilya Sutskever bekam, konnte er noch nicht ahnen, dass sein letzter Arbeitstag bei OpenAI gerade begonnen hatte. Ob er am Mittag an einem Videocall teilnehmen könne, wollte Sutskever wissen. Bei dem Meeting eröffneten Sutskever und der Rest seines Aufsichtsrats Altman dann, dass er gefeuert sei. Direkt danach wurden bereits seine Accounts gesperrt. So berichten es US-Medien.

Altmans Rauswurf hat Schockwellen durch die Tech-Szene der USA, wenn nicht weltweit gesendet. Denn der ChatGPT-Entwickler ist nicht bloß irgendein Startup, sondern das Aushängeschild der KI-Revolution. Und sein Gründer und Chef Sam Altman ihr Gesicht. Nachdem die Mitarbeitenden offen rebellierten und zum größten Investor Microsoft überzulaufen oder bei der Konkurrenz anzuheuern drohten, haben die Aufseher eingelenkt. Nach zähen Verhandlungen kehrt Altman nun triumphierend als CEO zurück – nur wenige Tage, nachdem er gefeuert wurde. Bei der vielleicht wichtigsten Technologiefirma der USA zieht nun erstmal Ruhe ein. Aber sie bleibt trügerisch.

Denn Tech-Analysten, Journalisten und Investoren rätseln weiterhin, was bei OpenAI eigentlich genau passiert ist. Selbst die KI-Schmiede weiß es nicht und will die Vorgänge von externen Ermittlern untersuchen lassen. Klar ist nur: Für die einen hat Sam Altman seine hehre Mission dem großen Geld geopfert. Für die anderen ist er zur Zielscheibe hypervorsichtiger und inkompetenter Aufseher geworden. Den Machtkampf mit seinen firmeninternen Gegnern hat er zwar gewonnen. Aber seinen Traum von künstlicher Intelligenz, die frei von kommerziellen Interessen der Tech-Giganten sicher zum Nutzen der Menschheit entwickelt wird, muss man mit dem Drama bei OpenAI wohl begraben.

Spagat zwischen Weltenrettung und Kommerz

Genau das war der Anspruch, mit dem Altman 2015 in San Francisco sein Startup gründete. Schon im Namen manifestierte sich die altruistische Idee: OpenAI, offen und transparent. Ebenso wie in der Form: keine gewinnorientierte Firma, sondern eine gemeinnützige Forschungsorganisation steckt bis heute formal hinter der bahnbrechenden Software des Startups.

Doch diesen Anspruch konnte Altman nicht lange durchhalten: Ab 2019 investierte Microsoft insgesamt bis zu 13 Milliarden Dollar und sicherte sich dafür die Exklusivrechte an den Programmen der KI-Künstler. OpenAI gründete eigens dafür eine profitorientierte Tochterfirma, deren Gewinne allerdings gedeckelt sind.

Seitdem steckte OpenAI in einer einzigartigen, man darf sagen, ulkigen, Struktur fest: Milliardenschwere Investoren, wie im Silicon Valley üblich, haben keinerlei Mitsprache im Aufsichtsrat von OpenAI. Und Altman in einem Spagat: Künstliche Intelligenz zum Wohle der Menschheit und mit Blick auf Sicherheit zu entwickeln. Und dabei gleichzeitig sein Non-Profit zum Milliardenbusiness auszubauen.

Weltuntergangs-Hysterie oder Technologie-Hype?

Schon lange vor Altmans Rauswurf ging deshalb ein tiefer Riss durch OpenAI. Bereits 2021 stiegen einige KI-Forscher um Dario Amodei aus und gründeten mit AnthropicAI Altmans heute größten Konkurrenten - aus Angst, ihr früherer Chef habe die Risiken der bahnbrechenden Technologie aus dem Blick verloren. Dank des Deals mit Microsoft konnte Altman immer mehr Geld und Rechenpower in die Programme stecken. "Wir glaubten, dass man mehr braucht als einfach nur immer leistungsfähigere Modelle: eine Anpassung auf menschliche Werte - Sicherheit", erklärte Amodei "Fortune" später seinen Weggang.

Sein Ausstieg war ein Alarmsignal, dass der Glaubenskrieg, der in der KI-Szene tobt, längst auch OpenAI erfasst hatte: Auf der einen Seite stehen die Schwarzmaler, die in Künstlicher Intelligenz eine potentiell gottähnliche Maschine sehen, die eines Tages außer Kontrolle geraten und die Menschheit wie Tiere ausrotten könnte. Mindestens drei der nun gefeuerten Aufseher werden dieser Fraktion zugerechnet. Auch Sutskever wird nachgesagt, dass er Zweifel daran hegte, ob Altman die hehre Mission von OpenAI noch im Blick hatte.

Die Optimisten halten diese Weltuntergangsszenarien für übertrieben. Für sie ist KI die vielleicht wichtigste Erfindung der Menschheit, mit riesigem potentiellem Nutzen für Milliarden. "Wir sind an diesen Punkt gekommen, weil unbedeutende, winzige Risiken hysterisch durch die exotischen Ansichten von Scifi-Nerds und eine klicksüchtige Journaille aufgeblasen wurden", kommentierte Wagniskapital-Veteran Vinod Khosla, einer der frühesten Open-AI-Investoren, Altmans Rauswurf.

Nun dominieren Profit-Interessen von Internet-Riesen

Bei OpenAI lieferten sich diese zwei Fraktionen - hypervorsichtige Aufseher und profitorientierte Großinvestoren - also schon lange einen verdeckten Kampf. Vergangene Woche ist er nur offen ausgebrochen. Der genaue Auslöser bleibt unklar. Altman sei "nicht konsistent aufrichtig in seiner Kommunikation mit dem Aufsichtsrat gewesen" und habe damit dessen "Fähigkeit, seine Pflichten auszuüben, behindert", heißt es wolkig in der Pressemitteilung über seinen Rauswurf.

Das könnte mit der Investorentour im Nahen Osten zusammenhängen, auf der sich Altman laut Medienberichten seit Wochen befand, um neues Geld für Billig-Chips zu mobilisieren, die OpenAI für seine Modelle braucht. Die Vertrauensbasis zwischen dem charismatischen CEO, an dem die Investoren hingen, und seinen Aufsehern ist offenbar immer weiter erodiert - womöglich weil ihnen sein Kurs zu kommerziell wurde.

Der Aufsichtsrat von OpenAI hat dabei womöglich nur das gemacht, was sein Mandat ist: die Reißleine ziehen, wenn er die gemeinnützige Mission von OpenAI in Gefahr sieht. Die Ironie ist nur, dass die "unfähigen" Aufseher, wie die OpenAI-Angestellten sie in ihrem Protestbrief nannten, dabei fast die ganze Firma ruiniert haben. Und damit den Weg in die Kommerzialisierung erst recht geebnet haben.

Denn drei der vier kritischen, eher sicherheitsorientierten Aufseher, die Altman gefeuert haben, fliegen nun selbst aus dem Aufsichtsrat. Dafür kommen Ex-US-Finanzminister Larry Summers und Bret Taylor an Bord - Ex-Chef von Salesforce und ein ausgewiesener Altman-Vertrauter. Taylor wird zudem Aufsichtsratsschef. Altman hat damit ihm gewogene Kontrolleure installiert, die seinen schnelleren, kommerzielleren Kurs mittragen und ihm "die nötigen Ressourcen für ihren Erfolg" geben dürften, wie es sich Microsoft-Chef Satya Nadella gewünscht hat. Zudem sollen bis zu sechs weitere, neue Aufseher installiert werden, die womöglich die Interessen der milliardenschweren Geldgeber stärker vertreten. Sie bestimmen nun bald darüber, wie gemeinnützig die größte Technologie-Revolution der Menschheitsgeschichte dann wirklich verläuft.

Quelle: ntv.de

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