Wirtschaft

Ungewöhnliche Entwicklung Deutsche trotz Flaute weiter im Kaufrausch

Die niedrige Inflation und steigende Löhne lassen Bürgern mehr Geld zum Ausgeben.

Die niedrige Inflation und steigende Löhne lassen Bürgern mehr Geld zum Ausgeben.

(Foto: imago images/Nikita)

Es erscheint wie ein Widerspruch: Die Wirtschaft in Deutschland stockt, doch die Geldbörse der Konsumenten sitzt so locker wie seit Jahren nicht mehr. Deutsche Einzelhändler dürften 2019 erneut ein Umsatzwachstum verbuchen - das zehnte Jahr in Folge. Forscher glauben, die Ursachen zu kennen.

Die deutschen Einzelhändler haben sich 2019 von der Flaute in vielen anderen Branchen abgekoppelt. Ihr Umsatz wuchs bereits das zehnte Jahr in Folge und zugleich so kräftig wie seit 2015 nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Berechnungen prognostizierte. Demzufolge legte der Umsatz im vergangenen Jahr um 3,4 Prozent zu, preisbereinigt - also unter Berücksichtigung der Inflation - um 2,9 Prozent.

Das Bruttoinlandsprodukt dürfte dagegen real nur um rund ein halbes Prozent gewachsen sein, sagen die führenden Institute voraus. Die exportabhängige Industrie steckt wegen Handelskonflikten und schwächerer Weltkonjunktur sogar in der Rezession.

Aber warum zeigt sich der Einzelhandel so robust gegenüber der Wirtschaftsflaute? Die Kauflaune der Verbraucher wird gleich von mehreren Seiten befeuert. Da ist zum einen die Rekordbeschäftigung: Das Statistikamt zählte im vergangenen Jahr durchschnittlich 45,3 Millionen Erwerbstätige und damit über 400.000 mehr als 2018.

Zum anderen schieben steigende Löhne die Kauflaune der Verbraucher an: Die Tarifverdienste legten im abgelaufenen Jahr erneut um drei Prozent zu und damit stärker als die Lebenshaltungskosten mit 1,4 Prozent. Unter dem Strich bleibt damit mehr in der Kasse. Auch steigt die Einwohnerzahl durch Zuwanderung: 2018 lebten in Deutschland 2,5 Millionen Menschen mehr als noch 2012.

Niedrigzinsen spielen eine Rolle

Aber auch die derzeit niedrigen Zinsen spielen dabei eine Rolle, glauben die Konsumforscher der GfK. "Drohende Strafzinsen für Geldanlagen haben die Sparneigung auf ein neues Allzeit-Tief stürzen lassen und machen das Sparen wenig attraktiv", sagt deren Experte Rolf Bürkl mit Blick auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Zumal auch Privatanleger befürchten müssten, Strafzinsen für ihre Geldanlagen bei den Banken zahlen zu müssen.

Allerdings profitieren nicht alle Einzelhandelsbranchen gleichermaßen von der anhaltenden Kauffreude. Der brummende Online- und Versandhandel etwa wuchs in den ersten elf Monaten 2019 mit real 7,4 Prozent am kräftigsten. Dagegen schrumpfte das Geschäft mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren: Hier gab es Einbußen von 0,4 Prozent. Gerade der Online-Boom macht vielen Ladengeschäften das Leben schwer. Schätzungen zufolge könnte in den kommenden Jahren etwa jedes zehnte Geschäft für immer schließen.

Auch im gerade begonnenen neuen Jahr 2020 dürften die Rahmenbedingungen gut bleiben. Das Ifo-Institut etwa sagt einen leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit voraus, während die Beschäftigung mit mehr als 45,4 Millionen einen Rekordwert erreichen dürfte. Auch sollten die Löhne erneut stärker anziehen als die Preise, was die Kaufkraft weiter stützen würde.

Handelsverband gibt sich vorsichtig

Der Branchenverband HDE hingegen gibt sich betont vorsichtig. "Auch wenn der private Konsum weiterhin der wichtigste Wachstumstreiber in Deutschland bleibt, sind von ihm in den nächsten Monaten keine starken Impulse zu erwarten", erklärte er. "Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist weiterhin gut, allerdings zeigen sich immer mehr Verbraucher von Ankündigungen zum Stellenabbau bei großen Unternehmen beeindruckt." So haben die Autobauer Audi und Daimler angekündigt, in den kommenden Jahren insgesamt etwa 20.000 Stellen zu streichen.

Auch die Eskalation des Konfliktes zwischen den USA und dem Iran sorgt für Verunsicherung. Öl der Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich am Montag um bis zu 3,1 Prozent auf ein Dreieinhalb-Monats-Hoch von 70,74 Dollar je Fass. Steigen die Preise weiter, könnte das viel Kaufkraft abschöpfen.  

Quelle: ntv.de, kst/rts

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