Volkswirtin zum US-TV-Duell Die Finanzmärkte werden sich Trumps Sieg "schönsaufen"
28.06.2024, 14:06 Uhr Artikel anhören
Trumps Versprechen von Deregulierung und niedrigeren Steuern kommen bei manchen Investoren gut an.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die US-Demokraten sind in Panik nach Joe Bidens katastrophaler Performance beim TV-Duell. Während eine Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus insbesondere für Deutschlands Unternehmen problematisch wäre, erscheint dessen Agenda für die Finanzmärkte sogar positiv, sagt Volkswirtin Sandra Ebner von Union Investment - zumindest kurzfristig.
ntv: Müssen wir uns jetzt auf einen Wahlsieg von Donald Trump einstellen nach diesem TV-Duell?
Sandra Ebner: Ich glaube, noch ist nicht alles verloren. Für Joe Biden war gestern wichtig zu zeigen, dass er nicht alt und schwach ist. Das hat er nicht geschafft. Es war insgesamt eine Debatte, auf der sich keine Seite mit Ruhm bekleckert hat. Aber es ging eben ganz explizit für Joe Biden darum, stark zu sein, und das ist deutlich danebengegangen. Ich kann mir mittlerweile vorstellen, was ich davor immer ausgeschlossen habe: Dass es doch noch eine Änderung auf dem demokratischen Ticket gibt, also der Kandidat ausgetauscht wird. Es muss Dynamik in den Wahlkampf reinkommen und das ist gestern definitiv nicht passiert.
Wer könnte denn statt Joe Biden Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden?
Das ist schwierig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es [Vizepräsidentin] Kamela Harris wird, weil sie auch sehr stark in der Kritik steht. Wenn, dann muss es im Hinterzimmer vermutlich entschieden werden. Es muss ein Kandidat sein, auf den man sich im Vorfeld einigen kann, der im besten Fall auch noch sagt, dass er nur für diese Amtszeit antritt und das Feld für 2028 offen hält. Denn da stehen ja schon sehr viele oder scharren schon sehr viele mit den Hufen. Es kann aber auch nur die Entscheidung von Joe Biden sein. Wenn, dann muss er entscheiden. Alles andere würde zur Selbstzerfleischung der Demokraten führen. Und dann ist es definitiv gelaufen.
Wie wichtig ist diese Wahl für Europa und seine Unternehmen?
Für Europa ist die Wahl politisch sicherheitspolitisch natürlich relevant, weil Joe Biden ja schon sehr stark darum bemüht war, die Zusammenarbeit wieder zu fördern. Das würde unter der Unberechenbarkeit von Donald Trump deutlich schwieriger. Für die Unternehmen ist das Risiko im Bereich der Zölle, wo Trump angekündigt hat, dass er einiges machen will. Dabei steht Deutschland besonders in seinem Fokus aufgrund der geringen NATO-Ausgaben. Insgesamt wird es schwieriger für Europa mit einem Präsidenten Trump als mit einem Präsidenten Biden.
Gilt das auch für die Finanzmärkte?
Ich glaube, die Finanzmärkte werden sich das erst einmal schönsaufen. Das haben wir in der Vergangenheit häufiger gesehen. Schauen wir uns an, was auf Trumps Agenda steht: Deregulierung, weniger strenges Kartellrecht, mehr Fusionen und Übernahmen sowie niedrigere Steuern. Das ist etwas, was die Finanzmärkte in der Regel sehr gern sehen. Man muss sich auch nur die Liste der Großspender von Donald Trump anschauen: Da stehen sehr viele Wall-Street-Investoren drauf.
Also aus Anlegersicht positive Aussichten?
Wir sehen auf längere Sicht gewisse Risiken, weil Trump ein paar Sachen auf seiner Agenda hat, die auch einen negativen wirtschaftlichen Effekt haben können - beispielsweise im Bereich Immigration. Der Arbeitsmarkt hat sehr, sehr stark davon profitiert, dass mehr Einwanderer ins Land kamen. Dadurch sind Engpässe [bei Arbeitskräften] in den letzten Jahren zurückgegangen. Wenn er da wieder Engpass reinbringt, dann heißt das wieder auch Inflation und gegebenenfalls höhere Löhne.
Mit Sandra Ebner sprach Sabrina Marggraf
Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview gekürzt und leicht angepasst.
Quelle: ntv.de