Gekommen, um zu bleiben? Die Inflation ist hartnäckig
01.03.2023, 18:34 UhrDie Teuerung in Deutschland verharrt auf hohem Niveau und dürfte sich in den nächsten Monaten nur langsam abschwächen. Der Gipfel ist aber wohl überschritten.
Die Inflation in Deutschland bleibt hoch. Im Februar lagen die Verbraucherpreise nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 8,7 Prozent über dem Niveau von vor einem Jahr. Damit blieb der erwartete Rückgang aus. Doch immerhin liegt die Rate leicht unter dem im Herbst - nach überarbeiteten Daten - erreichten 8,8 Prozent.
Volkswirte gehen davon aus, dass es bei den Preisen in diesem Jahr zu keiner durchgreifenden Entspannung kommen wird, auch wenn der Höhepunkt überschritten sein dürfte.
Die Europäische Zentralbank versucht, die Inflation durch Zinserhöhungen nach unten zu drücken. Im vergangenen Sommer hatte sie sich von der Null-Zins-Politik verabschiedet und hat den Leitzins seitdem in rasantem Tempo fünfmal auf nun 3 Prozent angehoben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt inzwischen bei 2,5 Prozent. Für die nächste Zinssitzung im Mitte März hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine weitere Anhebung um 0,50 Prozentpunkte in Aussicht gestellt.
Höhere Zinsen sind das klassische Mittel, um Inflation zu bekämpfen. Der Mechanismus: Werden Kredite teurer, dann bremst das sowohl Konsum als auch Investitionen und damit die Nachfrage. Das dämpft tendenziell die Preise. Bis die Zinserhöhungen ihre volle Wirkung entfalten, dauert es allerdings. Als Faustregel gilt eine Dauer zwischen 12 und 18 Monaten.
Lange hatte die EZB trotz steigender Inflation vor Zinserhöhungen zurückgeschreckt. Sie war davon ausgegangen, dass die hohen Inflationsraten vorübergehend seien. Das war allerdings ein Irrtum - was auch an dem Überfall Russlands auf die Ukraine liegt, der die Energiepreise zeitweise in schwindelerregende Höhen getrieben hatte.
"Wirkung nimmt zu"
Nach Einschätzung der meisten Ökonomen sieht es derzeit danach aus, dass die Inflation in den kommenden Monaten an Fahrt verliert - vor allem deshalb, weil der Preisdruck bei der Energie nachlässt. Doch das Ziel der EZB von einer allgemeinen Preissteigerung in Höhe von 2 Prozent in der Eurozone ist wohl noch lange nicht erreicht. Die Bundesregierung rechnet für Deutschland im Jahresschnitt mit einer Inflationsrate von 6 Prozent. Zur Einordnung: Im vergangenen Jahr hatte die Inflationsrate mit durchschnittlich 7,9 Prozent den höchsten Stand seit Gründung der Bundesrepublik erreicht.
Nach Einschätzung der EZB beginnen die Zinserhöhungen mittlerweile zu wirken. Der Inflationsdruck bei Energie und bei Lebensmitteln dürfte ziemlich deutlich zurückgehen, sagte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane. Die preisdämpfende Wirkung des Straffungskurses werde mit der Zeit immer stärker. "Jeden Monat, jedes Quartal werden mehr und mehr Menschen mit dem neuen Zinsumfeld konfrontiert und so nimmt die Wirkung der Geldpolitik zu", so Lane.
Derzeit geht die EZB davon aus, dass die Inflation in der Eurozone bis Ende des Jahres auf 3,6 Prozent sinkt. Bis zur zweiten Jahreshälfte 2025 soll dann das 2-Prozent-Ziel erreicht sein. Die Notenbank wird zu ihrer nächsten Zinssitzung am 16. März eine neue Prognose veröffentlichen. Lane deutete an, dass die Inflationsprojektionen dann womöglich etwas niedriger ausfallen könnten als bisher.
Allerdings droht nun ein anderes Problem: hohe Tarifabschlüsse. Angesichts der kräftigen Inflation versuchen Gewerkschaften, deutliche Lohnerhöhungen durchzusetzen. In Deutschland fordern sie beispielsweise 10,5 Prozent mehr Geld für die mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Bei der Bahn will die Gewerkschaft EVG für die meisten Mitarbeiter eine Steigerung von mehr als zwölf Prozent erreichen. Die Frage ist, ob nun eine Preis-Lohn-Spirale einsetzt. Einige Ökonomen befürchten, dass die Unternehmen wegen höherer Personalkosten ihre Verkaufspreise weiter anheben könnten und dass diese höheren Preise zu entsprechenden Lohnforderungen führen.
"Spürbare Zweitrundeneffekte auf die Preise sind absehbar", heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. "Sie tragen dazu bei, dass die Inflationsrate über einen längeren Zeitraum deutlich über dem mittelfristigen Ziel von zwei Prozent für den Euroraum bleiben wird." Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, der auch im EZB-Rat sitzt, betonte im Interview mit ntv, dass die Notenbank trotz dieser Zweitrundeneffekte nicht mit einer Preis-Lohn-Spirale rechne. "Die Arbeitnehmer sind durch drei Jahre negative Reallohnentwicklungen gegangen", sagte er im Interview mit ntv. Die aktuellen Lohnforderungen seien deshalb nachvollziehbar.
Quelle: ntv.de, mit rts/dpa