Wirtschaft

Lobbyist für Wirecard Die Rückkehr des Dr. Guttenberg

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Vertrauensverhältnis: Auch Jahre nach seinem Rücktritt hatte Guttenberg direkten Kontakt zur Kanzlerin.

(Foto: picture alliance / dpa)

Fast zehn Jahre nach seinem Rücktritt hat Ex-Verteidigungsminister Guttenberg wieder einen offiziellen Auftritt in Berlin: als Zeuge vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss. Er soll erklären, wie er die Kanzlerin dazu brachte, sich in China für den Pleite-Konzern stark zu machen.

Man kann sicher von Karl-Theodor zu Guttenberg behaupten, dass er mit allem, was er tut, stets hoch hinaus möchte. Seine Firma benannte er trotzdem nach einem lediglich 521 Meter hohen Hügel in seiner oberfränkischen Heimat, dem Spitzberg. Ungeachtet dessen versucht die Webseite von "Spitzberg Partners" den Eindruck zu vermitteln, das Unternehmen mische international ganz oben mit. Angegeben werden als Standorte New York, Washington D.C., Toronto, Berlin und Zagreb - wenn auch ohne konkrete Adressen oder eine Verlinkung zu den Filialen.

Spitzberg Partners versteht sich laut Eigenbeschreibung als "Unternehmensberatungs- und Investmentfirma". Sie arbeite "an der Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Sektor" und ermögliche den Kunden "zeitnahe Einblicke" in geopolitische, interkulturelle und internationale regulatorische Änderungen, um darauf reagieren zu können. Kurzum: Guttenbergs Firma ist auch im Bereich des Lobbyismus unterwegs. Sie beschafft Informationen und öffnet für Wirtschaftslenker Türen zu politischen Entscheidungsträgern.

Einen echten Coup landete Spitzberg Partners, als es - auch unter Einschaltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel - schaffte, Wirecard den Weg in China zu eben. Die ersten Aktivitäten gehen in den Sommer 2018 zurück. Höhepunkt von Guttenbergs Lobbyarbeit war ein Treffen Anfang September 2019 mit Merkel im Kanzleramt. Tatsächlich war Wirecard wenige Tage später auf ihrer China-Reise ein Thema - nach Vermutung der Opposition auf allerhöchster Ebene -, obwohl damals schon schwere Vorwürfe gegen das frühere Dax-Unternehmen im Raum standen. Etwa acht Wochen später gab Wirecard bekannt, Anteile an der chinesischen Firma AllScore Payment Services zu kaufen.

Beinahe zehn Jahre nach seinem Rücktritt als Verteidigungsminister in Folge der Plagiatsaffäre im März 2011 wird Guttenberg am Donnerstag erstmals wieder offiziell im politischen Berlin erscheinen: als Zeuge vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Er soll Auskunft geben, wie die Sache ablief. Florian Toncar, der die FDP in dem Gremium vertritt, sagte ntv.de: "Der Deal in China wurde damals gefeiert, weil bis dahin noch nie ein europäischer Konzern eine Mehrheit an einem chinesischen Finanzmarktunternehmen hatte." Zwar sei Merkels Engagement "sicherlich keine böse Absicht" gewesen, "aber trotzdem ein folgenschwerer Fehler und ein Beleg fehlender Distanz zu Guttenberg".

Hilfe für Brauns Husarenstück

Für den inhaftierten Ex-Vorstandschef von Wirecard, Markus Braun, war das China-Geschäft nach Einschätzung Toncars ein Husarenstück. "Er konnte auch diese Akquisition dafür nutzen, die Wachstumsgeschichte seines Unternehmens weiterzuerzählen und damit Investoren zu täuschen." Der FDP-Politiker hält vor allem den Zeitpunkt des Einsatzes der Kanzlerin für problematisch. "Da waren die Spekulationen über Bilanzfälschungen und fragwürdige Deals mit Wirecard-Aktien schon bekannt, auch im Kanzleramt." Im Übrigen vermute er, dass Guttenbergs Firma eingeschaltet worden sei, "nachdem Wirecard merkte, dass Dorothee Bär das Tor zur Kanzlerin nicht geöffnet kriegt".

Tatsächlich ist bekannt, dass diverse frühere oder amtierende Politiker und Beamte für den Finanzdienstleister lobbyierten oder es wenigstens versuchten. Bär, die im Kanzleramt als Staatsministerin die Digitalisierung Deutschlands voranbringen soll, war ebenso beteiligt wie der aus Bayern stammende Ex-Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche. Merkel lehnte eine im Januar 2019 von Bär übermittelte Gesprächsanfrage Brauns ab. Der gescheiterte Manager nahm lediglich im Juni 2020 an einer Videoschalte der Kanzlerin mit allen Dax-Konzernen teil - kurz vor seiner Verhaftung. Unbekannt ist, ob und - wenn ja - ab wann und was konkret Merkel von den Vorwürfen gegen die Wirecard-Spitze wusste. Seriöse Berichte über die mutmaßlichen Machenschaften gab es 2019 schon zahlreich.

Bekannt ist inzwischen, dass die Bundesregierung im Januar 2019 in Peking eine bilaterale Stellungnahme zum "deutsch-chinesischen Finanzdialog" unterzeichnete, die dem nun insolventen Konzern bei der Expansion geholfen haben soll. Nach "Spiegel"-Informationen bedankte sich der frühere Wirecard-Finanzvorstand Burkhard Ley später für "die hervorragende Grundlage" des Geschäfts in der Volksrepublik. Ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Peking soll wohl mit Blick auf Meldungen über Unregelmäßigkeiten bei Wirecard in Asien per Mail geschrieben haben: "Ich hoffe, Sie überstehen den Sturm unbeschadet."

Wieviel verdiente Guttenberg mit Wirecard?

Nach Darstellung des Bundesaußenministeriums bewegte sich der Kontakt zwischen diplomatischer Vertretung und Wirecard "im üblichen Rahmen der Außenwirtschaftsförderaktivitäten". Fabio De Masio, der für die Linke den Bilanzfälschungsskandal parlamentarisch aufklärt, hält das für unglaubwürdig. Das Engagement der Regierung sei sehr viel stärker gewesen, als bisher von ihr eingeräumt worden sei. "Ihre Einlassung, Guttenberg sei zufällig zu Beratungen im Kanzleramt über den Finanzsektor Chinas dazu gestoßen und Wirecard habe prima reingepasst, ist ein Märchen."

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Selbst die Koalition hat einen umfassenden Fragenkatalog angekündigt. SPD-Ausschussvertreter Jens Zimmermann kündigte an: "Herr Guttenberg wird uns gut erklären müssen, wie die Anbahnung im Kanzleramt für sein Gespräch mit der Kanzlerin lief und wie viel er damit verdient hat." Es stünden "erhebliche Summen" im Raum. Auch solle das CSU-Mitglied erklären, wie seine Beziehungen zu Braun und dem flüchtigen Ex-Vorstand von Wirecard, Jan Marsalek, gewesen seien. "Da wird ja seit Wochen an der Legende gestrickt, das Kanzleramt habe von den Hintergründen nichts wissen können."

Für Guttenbergs Partei verlangte Hans Michelbach: "Da muss mit offenen Karten gespielt werden. Wir verlangen Aufklärung sowohl im Kanzleramt als auch im Finanzministerium." Allerdings deutete der CSU-Abgeordnete auch schon die Verteidigungsstrategie für Merkel an: "Wer sein gutes Verhältnis zur Kanzlerin nutzt und um Unterstützung für ein Unternehmen bittet, muss auch so viel Verantwortungsgefühl haben, sie nicht in die Bredouille zu bringen. Ein anderes Verhalten ist unseriös." Mit anderen Worten: Guttenberg ist schuld.

Quelle: ntv.de

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