Je größer, desto gefährlicher Die Schweiz erschafft einen Banken-Goliath
20.03.2023, 11:44 Uhr
Die UBS schluckt die Credit Suisse.
(Foto: IMAGO/Andreas Haas)
Die Schweizer Großbank UBS rettet die schwer angeschlagene Rivalin Credit Suisse. Die UBS spricht von einer "Riesenchance". Doch der Deal birgt auch eine Riesengefahr.
Es ist schlecht, aus Fehlern nicht zu lernen. Und es ist ganz besonders schlecht, wenn die Fehler mit der globalen Finanzkrise zu tun haben. In der Schweiz werden die taumelnde Bank Credit Suisse und ihr größerer Wettbewerber UBS zwangsverheiratet. Das ist sehr riskant. Oder wie es die Schweizer Zeitung "NZZ" treffend ausdrückt: Ein Zombie ist weg, ein Monster entsteht.
In der Schweiz wird ein Bankenriese geschaffen, dessen Bilanzsumme fast doppelt so groß ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes. Dabei lautete ja die wichtigste Lehre aus der Finanzkrise von 2007/2008: Es muss verhindert werden, dass Banken "too big to fail" sind - also zu groß, um sie pleitegehen zu lassen, ohne dass damit das Finanzsystem gefährdet wird. Gelungen ist das nicht, wie das Beispiel Credit Suisse eindrucksvoll zeigt.
Nicht etwa Schicksalsschläge, sondern jahrelanges Missmanagement und jede Menge Skandale haben die Bank zugrunde gerichtet. Banker und ihre Kontrolleure haben versagt. In den vergangenen Monaten haben Kunden in Scharen der Bank den Rücken gekehrt und ihr Geld mitgenommen. Der Aktienkurs rauschte in den Keller. Überraschend war das unrühmliche Ende der zweitgrößten Schweizer Bank daher nicht.
Damit Marktwirtschaft und Kapitalismus funktionieren, muss eine wesentliche Voraussetzung erfüllt sein: Unternehmerische Fehleinschätzungen müssen Konsequenzen haben. Wenn das Management versagt oder das Geschäftsmodell nicht funktioniert, muss eine Firma untergehen können. Wer zu großes Risiko eingeht, muss die Folgen tragen.
Bei großen Banken ist das nicht der Fall. Da eine Pleite das globale Finanzsystem erschüttern kann, verlassen sie sich darauf, notfalls vom Staat mit Steuergeldern gerettet zu werden. Diese Systemrelevanz wird eben nicht notwendigerweise als besondere Verantwortung interpretiert, sondern als Freifahrtschein.
Milliardenschwere Rettung
Die Credit Suisse hat Milliardenverluste im Investmentbanking erwirtschaftet. Sie soll jahrelang korrupte Autokraten und Kriminelle als Kunden akzeptiert haben. Dazu kommen etwa noch die Spygate-Posse, in der ein frustrierter Star-Investmentbanker beschattet wurde, Geldwäsche-Vorwürfe, das Fiasko der Pleite einer britischen Finanzfirma oder das Debakel mit sogenannten Thunfischbonds. Die Credit Suisse hat durchaus daran gearbeitet, unterzugehen.
Doch aufgrund ihrer Größe und Vernetzung im weltweiten Finanzsystem finden es Schweizer Regierung und Notenbank viel zu riskant, sie fallenzulassen. Die UBS springt als Retter ein, bezahlt für den Problem-Konkurrenten immerhin drei Milliarden Franken und steht für Verluste von bis zu fünf Milliarden Franken gerade. Die Schweizerische Nationalbank gewährt den Banken ein Darlehen von bis zu 100 Milliarden Franken. Und die Regierung sichert der UBS zudem eine Garantie von neun Milliarden Franken zu.
In der Europäischen Union gibt es vor dem Hintergrund der Credit Suisse und der Probleme von US-Regionalbanken dringenden Handlungsbedarf. Geschäftsbanken und Investmentbanking müssen getrennt werden. Die Bankenunion muss vertieft werden, damit es leichter fällt, Banken abzuwickeln. Es braucht eine europäische Einlagensicherung. Nötig sind außerdem größere Kapitalpuffer.
Andernfalls könnte auch in der EU das nächste Problem bei Banken bald nicht sein, dass sie "too big to fail" sind, sondern "too big to save" - also zu groß, um sie retten zu können.
Quelle: ntv.de